Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
25 Stunden

25 Stunden

Titel: 25 Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Benioff
Vom Netzwerk:
Trophäe von einem Apartment, eine Ansammlung großer, leerer Zimmer, scheint Jakob einen ganz bestimmten Typ zu verkörpern: Das Apartment für den jungen, unbeweibten Mann mit Geld. Der Fernseher im Wohnzimmer ist so gigantisch, dass der Wetterfrosch geradezu Furcht erregend aussieht. Slattery versteht den beunruhigten Blick seines Freundes falsch. »Riesenteil, hm?«
    »Ja, ganz schön groß. Seit wann hast du den?«
    »Seit ein paar Wochen. Hab mir ein kleines Geschenk gemacht. Ich mein, irgendwann muss ich doch auch mal anfangen, die Kohle auszugeben.«
    Was für ein vulgärer Ausdruck, denkt Jakob. Die Kohle. Größtenteils vulgär jedenfalls, denn zugegebenermaßen beträgt der Jahresverdienst seines Freundes ungefähr das Dreiundzwanzigkommasiebenfache dessen, was Jakob nach Hause bringt; eine Schätzung, die Jakob eines Nachmittags mit dem Taschenrechner vorgenommen hat, als er eigentlich Notendurchschnitte hatte ermitteln wollen.
    Sie setzen sich auf ein gelbes Sofa, auf dem Slattery als Kind zwei Jahre lang geschlafen hat, bevor die Familie nach Bay Ridge in eine größere Wohnung gezogen ist. Jakob fragt sich, warum Slattery nicht auch mal ein bisschen Kohle für neue Möbel ausgibt. Abgesehen von dem alten Sofa, dem Riesenfemseher und einem unechten Holzstapel beim Kamin ist das Wohnzimmer leer, dabei ist es größer als Jakobs gesamte Wohnung. Seine Bierflasche hat Slattery zwischen die Füße auf den Hartholzboden gestellt. Unter den Fenstern liegt ein großer zusammengerollter und verschnürter Teppich. In einer Ecke steht eine rotglänzende elektrische Gitarre, noch eins von den kleinen Geschenken, die Slattery sich so macht.
    Die Lehne des Sofas hat zwei dunkle Stellen von den Tausenden von Stunden, in denen sich dort ungewaschene Köpfe angelehnt haben; Jakobs Seite hängt durch, weil eine Feder gebrochen ist, als Slattery zu Teeniezeiten seinen jüngeren Bruder mit dem Gesicht in die Kissen gedrückt hat und ihm dann ins Kreuz gesprungen ist, worauf der Junge mit einem angebrochenen Rückenwirbel ins Krankenhaus musste. Eoin, der arme Kerl - guckt immer, als hätte er eine Bombenneurose, als wäre seine Kindheit ein Krieg gewesen, den er nur knapp überlebt hat.
    Der Fernseher wird von zwei Lautsprechertürmen flankiert. Kleinere Lautsprecher hängen von der Decke herab und bieten einen Surround-Sound, den Jakob sich wunderbar für Filme vorstellen kann. Beim Wetterfrosch jedoch ist der Effekt beunruhigend: die professionell gut gelaunte Stimme dringt aus allen denkbaren Winkeln auf Jakob ein. »Hier bahnt sich für das gesamte New Yorker Stadtgebiet womöglich der erste richtige Schneesturm dieses Winters an, und ich sag Ihnen was, Carol, es könnte ein Brummer werden. Zu rechnen ist mit zehn bis fünfundzwanzig Zentimeter Schnee...«
    »Fünfundzwanzig Zentimeter!«, ruft Slattery. »Da sollten wir morgen zum Skifahren raus. Ich hab mir gerade ein Paar Völkls zugelegt - Rennski.«
    »Ich kann nicht Ski laufen«, sagt Jakob.
    »Na und, ich doch auch nicht. Aber fünfundzwanzig Zentimeter Schnee... Vielleicht lieber nächstes Wochenende.«
    Die Stimme des Wetterfrosches hallt in dem zu lee' ren Zimmer.
    Jakob überläuft es kalt. »Glaubst du, Normalsterbl.iche nehmen je das Wort Brummer in den Mund?«
    »Was?«
    »Hast du inzwischen schon Stunden genommen?« , fragt Jakob und zeigt auf die rote Gitarre.
    Slattery schüttelt den Kopf. »Glaubst du, ich hätte ZIeit für Gitarrenstunden? Aber sie sieht wunderschön ausv nicht wahr?«
    »Wunderschön, wirklich«, sagt Jakob.
    »Ja. Das ist ein sehr schönes Rot.«
    »Willst du noch ein Bier?«, fragt Jakob, der von den riesenhaften Nachrichtensprechem wegkommen will.
    »Ja, danke.«
    Die Küche ist verdächtig sauber. Jakob untersucht die glänzende Edelstahlspüle, fährt mit den Fingern über die Arbeitsfläche, findet keine klebrigen Stellen, keine Krümel. Der gewaltige schwarze Herd mit seinen sechs Flammen rnd dem integrierten Backofen, der keine Spritzer und keine Fingerabdrücke aufweist, ist anscheinend noch nicht durch den banalen Akt des Kochens entweiht worden. Dieser Sack lässt sich eine Haushälterin kommen, denkt Slattery. Der Sub-Zero-Kühlschrank ist wohl gefüllt, randvoll mit eingelegten Oliven, Merrettichsenf, einer in Plastikfolie eingewickelten Kugel geräuchertem Mozzarella, einem gebratenen Truthahnschlegel in Aluminiumfolie. So sieht es bei meinen Eltern im Kühlschrank aus, denkt Jakob traurig.
    »Hier gibfs kein Bier!«,

Weitere Kostenlose Bücher