2500 Kilometer zu Fuß durch Europa
ein paar Brocken Verlan : T’es complètement ouf , toi ! Faites gaffe les moeufs , voilà les coeufs !“
„Hast
du in Paris auch etwas Anständiges gelernt?“ „Schon, so nebenbei. Aber ihr seid
schon ein komisches Volk, wisst ihr. Wenn ihr Essen geht, dann ‘brecht ihr die
Rinde’ [ casser la croûte ], und ihr werdet nicht ohnmächtig, sondern ‘fallt in die Äpfel’ [ tomber dans les pommes ].“
„Und
weißt du auch, dass bei uns der Unterschied zwischen begrüßen [se biser ] und vögeln [se baiser ] nur aus einem einzigen Buchstaben besteht?“ „Georges, du sollst aufhören,
unserem deutschen Gast so einen Blödsinn beizubringen! Erzähl lieber deine
Geschichte von damals, als du von Pamplona aus losgezogen bist und in nur drei
Wochen...“
„Wie
lange machst du das hier schon, Therèse ?“ „Seit ich
in Rente bin; mein Haus steht nie leer. Ich bin noch viel zu rüstig, um meine
Abende allein zu verbringen! Noch ein Gläschen?“
„Also,
dieses Fro ..., dieser Floc is ’ echt nicht zu verachten...“
„Eine
Spezialmischung; ich hab’ ‘nen ganzen Haufen davon.“
An die Fortsetzung des Gesprächs
erinnere ich mich nicht mehr besonders gut. Ich weiß noch, dass gesungen wurde,
und dass eine laute Stimme irgendwann die Frauen Südfrankreichs in höchsten
Tönen pries. Aus den erstaunten Reaktionen der anwesenden Männer konnte ich
schließen, dass es sich dabei um meine Stimme handelte, und irgendwann lag ich
in einem eigens für mich aufgestellten Klappbett und glitt in die weichen Hände
eines alles vergebenden Schlafs.
Am nächsten Morgen trennen wir uns von
Thérèse und den anderen Pilgern, und kurze Zeit später müssen wir auch Laetitia
Lebewohl sagen, ihr Urlaub ist zu Ende. In Lectoure bleibt sie zurück, und Saquina und ich sind wieder
zurückgeworfen auf uns selbst. In nur zwei Tagen mussten wir uns von zwei
Menschen trennen, die wir so schnell und intensiv lieb gewonnen haben, dass wir
über uns selbst staunen. Das Glück ist ein Reisender, der, kaum dass er an
unsere Tür geklopft hat, bereits wieder seine Koffer packt und weiterzieht. Und
der trotzdem etwas zurücklässt, die Erinnerung an Erlebtes und die Ahnung einer
Fortsetzung, die sich chaotisch ausbreitet wie eine verlorene Masche und
manchmal ein Muster ergibt, schöner als alles, was wir hätten planen können.
In Lectoure
Das Bleu de Lectoure ist ein Blauton, der ausschließlich in diesem kleinen südfranzösischen
Städtchen hergestellt wird und entfernt an die Lavendelfelder der Provence
erinnert. Insbesondere in der Region nördlich von Toulouse und Pau sieht man Fensterläden, Vasen, Kleider und
Haushaltsgegenstände in diesem besonderen Blau. Saquina und ich lassen uns durch das kleine Häuschen führen, in dem das Bleu de Lectoure hergestellt wird. Interessant ist, dass es
sich dabei zunächst um eine schwarzbraune, übel riechende Jauche handelt, die
erst durch den Kontakt mit der Luft und die dadurch hervorgerufene Oxidation zu
einem reinen Blau mutiert, und dass dieses Blau früher mit Hilfe des Urins von
Männern hergestellt wurde, weil Letzteres ,naturgemäß’ eine erhöhte
Konzentration gegärten Alkohols enthält. Mittlerweile
ersetzt eine Ammoniaklösung diese traditionelle Herstellungsmethode.
Ein statistisch unwahrscheinliches
Treffen
Unsere nächste Station ist ein etwas
größeres Städtchen mit dem viel versprechenden Namen Condom ,
in dem uns erneut eine Dosis Glück erwartet, die uns nachhaltig daran zweifeln
lässt, dass es wirklich nicht so etwas wie eine günstige Fügung gibt. Wie des
Öfteren in Südfrankreich haben wir in der örtlichen Pilgerherberge per Telefon
niemanden erreicht, darum habe ich unser Kommen dem Anrufbeantworter
anvertraut, zur Sicherheit jedoch auch beim Campingplatz im nächsten Dorf
Bescheid gesagt, wo uns ein Plätzchen frei gehalten wird. Da wir beide nach
unserer Ankunft in Condom noch sehr frisch sind,
beschließen wir, bis zu jenem Campingplatz weiterzugehen, als wir am Ortausgang
auf eine Autofahrerin treffen, die ihr Fenster herunterkurbelt und mich spontan
fragt, ob mein Name Thomas Bauer sei. Nun sind meine bisherigen Bücher in
Frankreich zu meinem Bedauern nicht sonderlich verbreitet, und ich bin mir
keiner Tat bewusst, die mein Foto auf die Titelseite der hiesigen Zeitung
gehievt haben könnte. Die Autofahrerin stellt sich als Besitzerin der örtlichen Fierberge vor und erklärt mir freudestrahlend, dass
sie
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