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253 - Das Terror-Gen

253 - Das Terror-Gen

Titel: 253 - Das Terror-Gen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mia Zorn
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aufgetaucht und gleich wieder verschwunden. Während sie aufgeregt nach ihnen gesucht hatte, hatte Gabriel überhaupt nicht reagiert. »Da war nichts, Loomer«, hatte er behauptet.
    Verflucht noch mal! Ich sehe doch keine Gespenster!
    ***
    Wie ein Buddha hockte Eve Neuf-Deville in der Hängematte, die sie zwischen zwei Fichten befestigt hatte. Aufrecht sitzend mit über die Schenkel gezogenen Füßen ließ sie ihren Blick über Küstenstraße, Waldflanke, Meer und Zugang zum Technodorf gleiten. Mit dieser Form der Entspannung versuchte sie ihren nüchternen Zustand auszuhalten. Grundsätzlich lehnte sie es ab, während ihres Wachdienstes berauschende Mittel zu nehmen. Schließlich lag für diesen Zeitraum das Leben der Gefährten in ihren Händen. Doch die Stunden zogen sich hin und das Chaos in ihrem Kopf wurde langsam unerträglich.
    Obwohl seit ihrer Flucht aus dem Bunker von Salisbury nach London nunmehr ein Jahr vergangen war, machten ihr die Erinnerungen daran noch schwer zu schaffen. Ebenso die Bilder ihrer Albträume, die sie nachts immer häufiger quälten. Was da mit aller Gewalt aus den dunklen Tiefen ihrer Seele herauf kroch, versetzte die Psychologin in Panik und Schrecken. Nichts wirkte besser gegen diese grausame Gedankenflut, als hin und wieder einen zerbröselten Trockenpilz oder ein Kraut zu inhalieren. Guunsay war überwuchert von dem Zeug. Sogar Muskatnussbäume hatte Eve in dem nahen Waldstück entdeckt, der an das Klippenareal grenzte.
    Doch im Augenblick hieß es: aushalten. Nur noch eine kleine Weile, dann wird mich Gabriel ablösen , beruhigte sie sich. Sie atmete tief aus dem Bauch heraus und ließ die Luft langsam und gleichmäßig aus der Nase strömen. Sanft schaukelte ihr Körper in der Tuchwölbung hin und her. Es duftete nach Nadelholz und der Suppe, die der alte Jefferson auf dem Dorfplatz kochte. In ihrem Rücken spürte sie die abstrahlende Wärme des Felsenmassivs, das noch vom Sonnenlicht des Tages aufgeheizt war. Hoch über sich krähten die Kolks von der Brüstung des Wachturms. Eves Glieder entspannten sich und ihre Hände lagen schwer auf dem Zweikaliber in ihrem Schoß.
    Neben Leonards Schrotflinte war es die einzige Schusswaffe, die den Technos zu ihrer Verteidigung zur Verfügung stand. Wolter Wallis hatte sie ihnen besorgt. Schusswaffen waren rar auf der Insel. Vermutlich hortete der Lordkanzler sie in seinem Château. Wobei er mehr eine Vorliebe für antike Waffen zu haben schien. Eve dachte an den Kasernenhof, den Gundar der Große ihnen voller Stolz gezeigt hatte. Berge rund geschliffener Kanonenkugeln neben einer uralten Steinbüchse waren sein ganzer Stolz. An jenem Abend hatte sie den Eindruck gehabt, Leonard hätte auch gern solch eine Kanone für seinen Wachturm.
    Doch vorläufig mussten er und die anderen sich mit den Kurzschwertern, Äxten und Spießen zufrieden geben, die sie sich auf dem Markt von Sainpeert besorgt hatten. Und eben diesen beiden Gewehren. Das musste reichen, um den gestörten Joonah und seine Krieger abzuschrecken. Eine tolle Nachbarschaft hatten sie sich da eingeheimst. Noch immer steckte Eve der Schock ihrer ersten Begegnung mit diesen Barbaren in den Knochen. Das war am Abend des dritten Tages nach ihrer Ankunft gewesen.
    Annähernd dreißig dieser Wilden hatten sich mit lautem Geheule vor dem Dorfzugang versammelt. Während ihr Schamane sich kiloweise Asche über seinen kahlen Schädel schüttete, redete er mit hohler Stimme von einem Fluch, der auf dem Wachturm läge. Von den ruhelosen Geistern der Krieger, die vor Urzeiten dort gefallen wären, noch lange vor Kristofluu . Er behauptete, dass sie alle sterben müssten, bleiben sie auch nur einen Tag länger auf den Klippen.
    Inzwischen wusste Eve, dass die soziale Struktur des benachbarten Stammes von tief verwurzeltem Götter- und Aberglaube geprägt war. Ihr Anführer war ein Soziopath, der gemeinsam mit seinem Schamanen Inselherrscher werden wollte. Doch mit ihren drei Dutzend Kriegern waren sie den Soldaten des Lordkanzlers hoffnungslos unterlegen. Und seit Wolter Wallis Joonah in einer Botschaft an diese Tatsache erinnert hatte, hatten er und seine Krieger auch keine offenen Drohungen mehr gegenüber den Technos ausgesprochen.
    Bis auf einige zu verschmerzende Schikanen begnügten sich die Wilden nun damit, in aller Regelmäßigkeit aufzutauchen, um die Fortschritte im Dorf der Bunkerleute zu beobachteten oder die Wache schiebenden Technos stundenlang anzuglotzen. Auch jetzt hatten

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