253 - Das Terror-Gen
mussten zusammenbleiben! Er hoffte darauf, dass die anfänglichen Flammen der Liebe bei den beiden bald heruntergebrannt sein würden. Ansonsten musste er sich etwas einfallen lassen.
Wie auch immer: Für ihre Dienste in Sainpeert erhielten sie Geld und Naturalien. Doch das war für Sir Leonard zweitrangig. Wichtiger waren die Anerkennung und Eingliederung der Technos in das Inselleben. Und die entwickelten sich im Moment besser, als Gabriel es sich erhofft hatte. Leider auch besser als seine Positionierung als Prime in der kleinen Gemeinschaft. Ständig stellten Fahka und die Loomer seine Entscheidungen in Frage. Sarah Kucholsky hielt sich meist bedeckt. Im Allgemeinen wandte man sich an Victoria Windsor, die inzwischen vollständig von ihrem Nervenfieber geheilt war.
Doch auch wenn das Verhalten der Anderen an seiner Geduld zehrte, musste er es weiterhin langsam angehen. Denn noch waren seine Leute hoffnungslos in der Unterzahl.
Und damit war er bei seinem nächsten Problem: Joonah. Der Häuptling aus dem Nachbardorf und sein Schamane Braham ließen trotz der Verfügung des Lordkanzlers keine Gelegenheit aus, den Bunkerleuten das Leben schwer zu machen. Manchmal versperrten seine Krieger ihnen den Weg in die Stadt oder nahmen sich Waren und Lebensmittel von dem Motorwagen. Der noch immer von einem Wakuda gezogen werden musste - der EMP hielt weiter an.
Auch wenn die abergläubischen Barbaren bis jetzt nicht wagten, die Grenzen des neuen Technodorfes zu überschreiten, waren sie für Leonard ernst zu nehmende Gegner. Früher oder später würde der Tag kommen, an dem Joonah sich nicht mehr mit Diebstahl oder harmlosen Schikanen zufrieden gab. Und Gabriel tat alles, um für diesen Tag gewappnet zu sein. Für diesen Tag und für den, an dem er sich selbst zum Herrscher über Guernsey aufschwingen würde. Das war es, was ihn antrieb und wofür er manch misslichen Umstand in Kauf nahm.
Grimmige Entschlossenheit lag im Gesicht des Prime, als er nun zügig ans Ufer schwamm. Nass wie er war, schlüpfte er in seine Kleider. Er schulterte die Schrotflinte, die Gundar der Große ihm als Gastgeschenk überreicht hatte, und lief ein Stück weit den Pfad hinunter. Seine Schritte wurden langsamer, als er die mannshohe Brennnesselhecke sah. Dahinter verbarg sich der kleine Felsenweg, der zum Geheimversteck führte.
Sein Herz klopfte wild. Nur bei dem Gedanken daran, was ihn dort erwartete, geriet sein Blut schon in Wallung. Schnell warf er einen verstohlenen Blick über die Schulter. Dann schlug er sich wie ein Dieb in die Büsche.
***
Cinderella Loomer lag im knöchelhohen Gras neben einem Ginsterbusch, der fast so hoch war wie die kleine Hütte in ihrem Rücken. Unter dem wolkenlosen Himmel zog ein Raubvogel seine Kreise. Es roch nach wilden Orchideen und den Tomaten, die auf Guunsay bis in den Herbst hinein gediehen. Von irgendwo her drang das Blöken eines Wakudas an ihr Ohr. Und im Haus klapperte Sam mit dem Geschirr. Cinderella räkelte sich genussvoll. Ganz ohne Zweifel: Sie war im Paradies! Nichts und niemand konnte sie dazu bringen, es jemals wieder zu verlassen.
Weder Sir Leonard, der in den letzten Wochen öfter ihr »Fernbleiben vom Gemeinschaftsleben« kritisierte, noch der benachbarte Barbarenstamm, der die Technos Tag und Nacht zu beobachten schien. Selbst London und seine Schrecken waren in weite Ferne gerückt. Grund dafür war dieses Bild von einem Mann, der sie immer wieder zum Lachen brachte: Sam! Ein stämmiger Kerl mit breiten Schultern und Augen wie dunkelblaue Seen. Er roch nach Maschinenöl und Salbei, hatte Haare wie braune Wolle und einen wuscheligen Vollbart. Wie nur war sie so lange ohne ihn ausgekommen?
Seufzend richtete sich Cinderella auf. Ihr Blick glitt über die bunte Wiese hinüber zum Waldgürtel, hinter dem Sainpeert lag. Keine zehn Minuten Fußmarsch von hier. Wollte sie vor Sonnenuntergang das Technodorf erreichen, musste sie bald aufbrechen. Ärgerlich riss sie einen Grashalm aus der Erde. Sie wäre gerne noch länger geblieben.
Sollte sie nicht einfach die Nacht hier verbringen? Sie verwarf diesen Gedanken sofort. Sie selbst hatte der Regelung zugestimmt, dass sich alle Mitglieder der Community vor Einbruch der Dunkelheit im Technodorf einfanden. Das Ganze war als Schutzmassnahme für jeden Einzelnen, aber auch gegen einen möglichen Angriff von den benachbarten Barbaren gedacht.
»Verfluchter Joonah!«, knurrte sie. Fast gleichzeitig ertönte ein lautes Knacken vom Waldrand
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