Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
253 - Das Terror-Gen

253 - Das Terror-Gen

Titel: 253 - Das Terror-Gen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mia Zorn
Vom Netzwerk:
wieder zwei von ihnen Stellung bezogen. Auf ihre Speere gestützt standen sie reglos am Waldsaum. Im Licht der untergehenden Sonne wirkten ihre langgliedrigen Körper wie Bronzestatuen. Nur hin und wieder blitzte das Weiß ihrer Augäpfel aus den Gesichtern.
    Eve versuchte sie nicht weiter zu beachten. Sie setzte ihre Atemübungen fort, wobei sie diesmal beim Ausatmen tiefe, brummende Laute von sich gab. Aus dem Augenwinkel bemerkte sie einen weiteren Wilden, der aus dem Wald kam. Doch anstatt sich zu den anderen zu gesellen, rannte er auf die Psychologin zu. Was hatte er vor?
    Alarmiert hob Eve das Gewehr. »Keinen Schritt weiter!«, rief sie mit lauter Stimme. Zwar mäßigte der Wilde jetzt seinen Schritt, doch unbeirrt kam er näher. Die Psychologin fluchte leise, weil sie sich nicht schnell genug aus dem Lotussitz lösen konnte. Als ihre steifen Glieder endlich festen Boden unter sich hatten, war der Wilde nur noch eine Armlänge entfernt vor ihr stehen geblieben.
    Eve staunte nicht schlecht, als sich der vermeintliche Krieger als junge Frau entpuppte, nicht älter als siebzehn und nicht größer als Sarah Kucholsky. Ihre Kleidung und Haartracht unterschied sich kaum von denen der anderen Barbaren: Wams und Lendenschurz aus Leder und die hellbraunen Haare zu unzähligen Zöpfen geflochten. Aus großen blauen Augen sah sie Neuf-Deville an. »Hast du eine Medizin gegen meine Hexenpunkte?«, fragte sie mit glockenklarer Stimme.
    Hexenpunkte? Die Psychologin warf einen argwöhnischen Blick von dem Mädchen zu den beiden Kriegern im Hintergrund. Sollte das Ganze hier ein Ablenkungsmanöver sein? Doch die Barbaren schienen selbst überrascht von dem Vorgehen der Kleinen. Wild gestikulierend riefen sie nach ihr.
    Die junge Frau ließ sich davon nicht stören. »Braham sagt, solange sie da sind, darf ich keine Kriegerin werden.« Unglücklich deutete sie auf die Sommersprossen, die wie goldene Sprenkel ihr Gesicht übersäten.
    Verblüfft ließ die Psychologin ihre Waffe sinken. Der Kleinen war es anscheinend ernst mit ihrem Anliegen. Und dieser Braham war niemand anderes als Joonahs Schamane. Eve wusste auch, dass die Frauen des Stammes eine untergeordnete Rolle einnahmen. Undenkbar, dass eine von ihnen Kriegerin wurde. Doch warum verbot Braham es dem Mädchen nicht einfach? Warum verzapfte er diesen Hexenpunkte-Mist ? »Wie lautet dein Name?«, wollte sie von der Barbarin wissen.
    »Jolii. Ich bin die Tochter des großen Häuptlings Joonah, und ich bezahle auch für die Medizin.« Damit reichte Jolii ihr ein kleines Säckchen. »Kräuter und Früchte vom Muskatbaum«, erläuterte sie schnell den Inhalt des Beutels.
    Eves Augen wurden schmal. Woher wusste Joonahs Tochter über ihre Rauchgewohnheiten Bescheid? Nie zuvor hatte sie das Mädchen in der Nähe des Dorfes gesehen.
    Jolii hielt ihrem Blick stand und sah dabei aus, als könnte sie kein Wässerchen trüben. Wenn sie es sich recht überlegte, wollte die Psychologin gar nicht so genau wissen, wann und vor allem wobei die Kleine sie beobachtet hatte. Im Moment war nur wichtig, dass sich hier ein erster friedlicher Kontakt zu dem Nachbardorf anbahnte. Darüber hinaus fiel Jolii als Tochter des Häuptlings anscheinend eine besondere Rolle zu. Jedenfalls scheute sich dieser Braham offensichtlich davor, ein offenes Verbot auszusprechen.
    Also steckte Eve ihr Honorar ein und machte sich an die Arbeit. Mit vorgebeugtem Oberkörper begutachtete sie eingehend das Gesicht der jungen Frau. Dann richtete sie sich mit einem Seufzer der Erkenntnis auf. »Was du da im Gesicht hast, sind keine Hexenpunkte, sondern Sommersprossen! Sie sind das Zeichen dafür, dass du einmal Häuptling deines Stammes werden sollst«, erklärte sie der staunenden Jolii. »Schon der große Schamane Albert Einstein hat gesagt, dass Sommersprossen den kommenden Häuptling ankündigen. Braham soll sich die Flecken noch einmal genau anschauen. Die Farbe macht den Unterschied.« Mit ernster Miene blickte sie die kleine Barbarin an. »Hast du alles verstanden?«
    Joonahs Tochter nickte eifrig. Ihre Augen leuchteten wie zwei Sterne, als sie auf dem Absatz kehrt machte und, gefolgt von den beiden aufgeregten Kriegern, zurück in den Wald lief.
    ***
    November 2522
    Im Lazaretthaus der kleinen Techno-Siedlung war es still geworden. Die letzten Patienten hatten sich schon vor Stunden auf den Weg zurück in ihre Dörfer gemacht. Die holzgezimmerten Ablagen waren gereinigt und die Krankenliege mit frischen

Weitere Kostenlose Bücher