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255 - Winterhexe

255 - Winterhexe

Titel: 255 - Winterhexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Weinland
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dabei?« Die Stimme seines Verhandlungspartners war fast ausdruckslos. Aber gerade davon fühlte sich Rothschild verunsichert. Mehr und mehr begriff er, dass er jemandem gegenüberstand, der womöglich genauso gefährlich, wenn nicht sogar gefährlicher war als der Mann, der über Ayr herrschte.
    »Ich weiß es nicht«, log Rothschild und sah die Enttäuschung, die über die Züge des Clanangehörigen huschte. »Nicht genau jedenfalls«, beeilte er sich hinzuzufügen. »Aber es vermag Stimmen aufzuzeichnen und auf Wunsch wiederzugeben. Man muss dazu…«, er entfernte das Tuch, »… nur diese Tasten drücken.« Er zeigte auf die Vertiefungen in dem handgroßen Gegenstand. »Zuerst die hier, um die Aufnahme zu starten…«, er drückte die Taste, »Sobald man genug aufgenommen hat, drückt man die hier…« Er tat es. »Dann die, um zurückzuspulen.« Ein schabendes Geräusch drang aus dem Inneren, stoppte dann mit einem Klacken. »Und die, um das Festgehaltene abzurufen…« Ein erneuter Druck auf eine Einbuchtung, und aus den kleinen Öffnungen, die über das obere Drittel des Gehäuses verteilt waren, drang Rothschilds leicht verfremdete Stimme: »Sobald man genug aufgenommen hat, drückt man…«
    Dröhnendes Gelächter ließ ihn herumfahren.
    Aus einem der Torbögen rund um den Innenhof trat eine imposante Gestalt, von Kopf bis Fuß in Leder und Metall gekleidet. »Ich bin Angus Corr, der Herr über Ayr und alle, die es wagen, meine Stadt zu betreten - womit auch du vor mir in den Staub fallen und mir die Stiefel lecken darfst, Elender!«
    Rothschild spürte, wie ihm die Worte eine verräterische Röte ins Gesicht trieben. Sofort sank er auf ein Knie hinab und verneigte sich ehrerbietig vor Angus Corr.
    »Herr…«
    »Steh wieder auf, Dummkopf. Ich brauche nicht noch mehr Untertanen. Sie fressen mir jetzt schon die letzten Haare vom Kopf. Weißt du, was es kostet, diese Schwachköpfe am Leben zu erhalten?« Er schüttelte unwirsch den Kopf. »Nein, das weißt du nicht. Niemand weiß das. Alle Welt denkt, herrschen sei ein Zuckerschlecken. Dabei opfere ich all meine Kraft nur dafür, dass es den Schwächeren um mich herum gut geht…« Er langte bei Rothschild an. Seine Hand schoss vor und wickelte sich um den Kragen des falschen Händlers. Mit einem Ruck zog er ihn so nah an sich heran, dass der Retrologe den Atem des Clanführers im Gesicht spürte. Er erinnerte ein wenig an das Aroma, das die Mumien auf dem Mular verströmten. »Glaubst du das?«
    Rothschild zögerte. Der erste Impuls war, Angus Corr alles zu bestätigen, was diesen gnädig stimmen mochte. Doch er besaß Menschenkenntnis. Und die verriet ihm im letzten Moment, dass er sich in diesem speziellen Fall keinen Gefallen tun würde mit allzu kriecherischem Verhalten.
    »N-nein«, stammelte er deshalb.
    Es war ein Ritt auf der Rasierklinge.
    Für einen Moment erstarrte die Welt um ihn herum. Kein Laut, keine Bewegung. Auf dem Gesicht des Schmächtigen, mit dem Rothschild zuerst verhandelt hatte, prangte der fast identische Ausdruck wie auf dem von Angus Corr - und zum ersten Mal fiel Rotschild auf, wie ähnlich sich die beiden tatsächlich waren, von der schieren Größe und Muskelkraft einmal abgesehen.
    Und fast gleichzeitig brachen sie in schallendes Gelächter aus. Die Faust, die Rothschilds Kragen so verdreht hatte, dass es dem Retrologen fast die Luft abschnürte, ließ unvermittelt los.
    »Hör dir den an! Hast du das erwartet, Bruder? Ich nicht.« Angus Corr stampfte einmal mit dem Fuß auf. »Aber es gefällt mir. Es imponiert mir. Verdammt will ich sein, meine Hochachtung, kleiner Krämer. Ich kann mich schon nicht mehr erinnern, wann mir zuletzt jemand nicht nach dem Mund geredet hat - von ihm«, er nickte hin zu dem Mann, den er Bruder genannt hatte, »einmal abgesehen. Was meinst du, Wex?«
    »Erstaunlich«, kommentierte nun auch der Gefragte. »Er hat Mumm. Wir sollten es ihm vergelten. Es sei denn, du willst ihn stattdessen einen Kopf kürzer machen.«
    Rothschilds Herz überschlug einen Takt, seine Augen weiteten sich. Für seine beiden Gegenüber Anlass genug, erneut in schallendes Gelächter auszubrechen.
    Verunsichert wartete er, bis zumindest Angus Corr sich wieder gefangen hatte und die Hand nach dem Artefakt ausstreckte. »Was willst du dafür?« Seine Augen verloren übergangslos jeden Humor. »Überlege gut, bevor du ein Sümmchen nennst. Ich bin heute zum Scherzen, aber nicht zum Spaßen aufgelegt!«
    Rothschild schluckte. Er

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