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255 - Winterhexe

255 - Winterhexe

Titel: 255 - Winterhexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Weinland
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nahm all seinen Mut zusammen, schaltete Vernunft und gesunden Menschenverstand aus und sagte: »Es… ist nicht zu verkaufen,«
    »Nicht… zu verkaufen…« Ein doppeltes Echo aus zwei Mündern.
    Bevor auch noch der letzte Rest von Wohlwollen aus dem Blick des Clanführers verschwand, fügte Rothschild schnell hinzu: »Aber ich würde mich geehrt fühlen, wenn… wenn wir tauschen könnten…?«
    ***
    Die Tür schwang knarrend auf. Dahinter staute sich die Dunkelheit, bis… ja, bis Angus Corr einen Schalter betätigte. Im nächsten Moment flammte Licht auf. Summend erwachten lange weiße Röhren, die über die Decke der Kammer verteilt waren, zum Leben.
    Rothschild zog hörbar die Luft ein. Er war nicht leicht zu beeindrucken, aber das, was sich seinen Blicken hier bot, ließ ihn regelrecht erstarren. Für einen endlos scheinenden Moment badete er in den wohligen Schauern einer Erregung, wie er sie so noch nie zuvor erlebt hatte, nicht einmal in den Armen einer willigen Frau. Erst Wexley Corrs Stimme, der sie hierher begleitet hatte, holte ihn wieder auf den Boden der Tatsachen und in die Realität zurück.
    »Mein verehrter Bruder hat einen Narren an dir gefressen, Krämerseele. Nutz es aus. Seine Launen sind flüchtiger als der Rauch, der aus den Kaminen steigt. Ich an deiner Stelle würde mich beeilen, mir etwas herauszusuchen. Und ich würde bescheiden wählen, wenn du verstehst, was ich meine…«
    Rothschild verstand den Wink mit dem Zaunpfahl. Dennoch konnte er den Blick nicht lösen von dem Sammelsurium an Technoschrott, das den Sinn und Zweck der Kammer auf faszinierende Weise offenbarte. Fein säuberlich aufgereiht auf Tischen präsentierten sich die Dinge, die auf allerlei Umwegen ihren Weg in Angus Corrs Besitz gefunden haben mochten: Apparate, Werkzeuge, Instrumente und Fragmente uralter Maschinen.
    Für einen Moment stieg die Idee in ihm auf, dass er seine ursprüngliche Absicht vergessen und stattdessen Angus Corr seine Dienste als Archivar antragen könnte. Der Clanführer hätte davon ebenso profitiert wie Rothschild, der immer noch nicht fassen konnte, was Corr hier angehäuft hatte. Es übertraf seine kühnsten Erwartungen.
    »Ihr… kennt die Bedeutung all der Dinge hier?«, fragte er mit rauer Stimme, als er endlich seine Sprache wieder fand. »Ihren Sinn und Zweck?«
    Angus und Wexley Corr schüttelten einmütig die Köpfe. »Nein. Du?«
    Rothschild spürte, wie Kälte seinen Brustkorb ausfüllte - wie so oft, wenn er seiner Erregung kaum Herr wurde. »Nein. Aber ich wünschte, es wäre so. Es muss großartig sein, so viele Geheimnisse gehortet zu haben, die darauf warten, eines Tages entschlüsselt zu werden. Jetzt brauchtet Ihr nur noch jemanden, der sich ein wenig damit auskennt -«
    »Eigentlich«, unterbrach ihn Angus Corr, »hatte ich gehofft, dass du das sein könntest. Dein Umgang mit dem Artefakt, das du zum Tausch anbietest, war sehr geübt. Bist du sicher , dass du nichts davon verstehst? Ich würde mich bestimmt nicht lumpen lassen. Du hättest ein Leben, wie du es draußen nirgends mehr finden wirst, und bekämst für jedes enträtselte Ding, das mir nützt, eine Prämie ausgezahlt… Na? Willst du es dir nicht noch mal überlegen?«
    Rothschild disponierte innerlich um. Sein ursprünglicher Plan war mit sofortiger Wirkung hinfällig. Mit dieser Entwicklung hatte er nicht gerechnet, aber etwas Besseres konnte ihm gar nicht passieren.
    »Ich…« Er räusperte sich. »Ich könnte es zumindest versuchen…«
    Damit stand er in Sold und Diensten des Mannes, den zu bestehlen er gekommen war.
    ***
    Acht Tage später
    Es war so weit.
    Schon in den Nächten zuvor hatte Rothschild sich bis zum ersten Morgengrauen in der Schatzkammer mit den Artefakten aufgehalten. Wenn er dann in sein Schlafquartier zurückkehrte, war er selten einer Wache begegnet. Zwei-, dreimal hatte er sich sogar aus der Festung heraus gewagt und war durch die frühmorgendlichen, menschenleeren Gassen Richtung Stadttor geschlendert. Er war von Angus Corr mit den Clanszeichen ausgestattet worden, die wie ein Ausweis wirkten. Wann immer er einem Wächter begegnete, verstrickte Rothschild ihn in eine Plauderei, bei der er durchblicken ließ, dass er sich nach anstrengenden Studien für den Clansherrn die Beine an der frischen Luft vertrat. Bislang war er gut damit gefahren.
    Aber heute kam es darauf an. Nach all den »Probeläufen«, durfte ihm nichts und niemand in die Quere kommen, denn in dieser Nacht wurde es ernst.

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