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257 - Die Spur der Schatten

257 - Die Spur der Schatten

Titel: 257 - Die Spur der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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Grillrost, die man auf drei Beinen aufstellen konnte. So gab es immer frischen Fisch.
    Und sie liebten sich ausgiebig und ungestört. So ausgiebig und ungestört wie seit langem nicht mehr. Gesättigt und wie frisch Verliebte lagen sie unter dem Segel des Katamarans, als am Mittag des dritten Tages Land in Sicht kam. Die irische Küste!
    Stundenlang fuhren sie an der Küste in südlicher Richtung entlang und hielten nach dem Dorf Ausschau, das in die Karte eingezeichnet war. Die Gegend war schneefrei. Noch - denn Nordostwind jagte schwarze Wolken über den Himmel, und es war nur noch eine Frage von Stunden, bis Schneefall einsetzen würde.
    In der Abenddämmerung endlich entdeckten sie in den Hügeln oberhalb der Steilküste Dächer von Hütten und vereinzelte Schafe. Matt Drax richtete sein Fernglas auf die Ansiedlung. So erspähte er einzelne Menschen. In einer Gestalt glaubte er sogar den bärtigen, schwarzhaarigen Pieroo zu erkennen. Sein Atem begann zu fliegen, fiebrige Erregung ergriff den Mann aus der Vergangenheit.
    »Ist es Corkaich?«, fragte Aruula.
    »Der Karte nach kann es nur Corkaich sein.« Aufmerksam spähte Matt durch das Glas. »Und wenn mich nicht alles täuscht, habe ich dort oben zwischen den Schafen sogar Pieroo gesehen.«
    »Das kann ich mir nicht vorstellen - das Dorf ist doch mindestens zwanzig Speerwürfe entfernt!«
    »Du solltest doch wissen, wie weit man durch so einen Feldstecher schauen kann.« Matt reichte seiner Geliebten das Binokular und begann nach einer Stelle an der Küste zu suchen, an der man an Land gehen konnte. Kurz bevor die Sonne unterging, entdeckte er eine Bucht mit einem ausgedehnten Kiesstrand. Den steuerten sie im letzten Licht des Tages an und zogen den Katamaran aus der Brandung auf den Kies.
    Die Nacht kam schnell und das Dorf war mindestens eine Stunde Fußweg entfernt. Matt wäre am liebsten sofort in die Hügel und zum Dorf aufgebrochen, doch Aruula meinte: »Es ist schon spät. Morgen ist auch noch ein Tag«, und sie hatte recht; zumal die ersten Schneeflocken aus dem dunklen Himmel schwebten.
    Sie wählten also einen leidlich windgeschützten Platz dicht am bewaldeten Hang aus, um ihr Lager aufzuschlagen. Dort stellten sie das Rundzelt auf, das Jed Stuart ihnen mitgegeben hatte. Vor dem Eingang brachten sie einen Windfang und einen Unterstand an. Darunter bauten sie den dreibeinigen Herd auf, machten ein Feuer und brieten Fisch. Matt brachte kaum einen Bissen herunter - sein Magen war wie zugeschnürt. Er dachte an Ann und Jenny, denen er morgen früh gegenübertreten würde. Bald fing es heftiger an zu schneien.
    ***
    Jennifer Jensens Tagebuch
    ... doch ich wollte dir von deinem Vater erzählen.
    › Man begegnet sich immer zweimal im Leben‹, sagten wir früher. Am Tag, als der Komet kam, verloren dein Vater und ich uns zunächst aus den Augen. ›Zurück nach Berlin‹, hieß seine letzte Order, nachdem wir begriffen hatten, dass der Raketenbeschuss die Katastrophe nicht verhindern konnte. Kurz daraufriss der Funkkontakt ab, das Geschwader zerfiel, und Sekunden später verlor ich die anderen beiden Maschinen aus dem Radar.
    Ich flog zurück zur Luftwaffenbasis. Weniger als eine Stunde nach dem Start ging ich in den Landeanflug. Doch das Berlin, das dann unter McKenzie und mir hinweg glitt, war nicht mehr das Berlin, aus dem wir gestartet waren.
    Die Stadt lag in Trümmern. Schwarze Ruinen, Buschland und Bäume, wohin ich blickte, und dazwischen das blaue Band der Spree. Wie eine vor langer Zeit untergegangene und seitdem von der Natur zurückeroberte Ruinenstadt sah Berlin aus. Wir begriffen nicht gleich - wie konnten innerhalb einer Stunde so viele Bäume, Büsche, Sträucher und Grasflächen wuchern? Es dauerte lange, bis mir klar wurde, dass wir 504 Jahre später in der Zukunft gelandet waren.
    Ich habe dir schon oft erzählt, was nach der Landung geschah, und irgendwann werde ich meine Geschichte in allen Einzelheiten aufschreiben. Für heute nur so viel: Wir wurden überfallen und getrennt, ich verlor das Bewusstsein, und als ich wieder zu mir kam, hatte ich auch mein Gedächtnis verloren.
    Fast ein halbes Jahr später tauchte dein Vater in den Trümmern Berlins auf. Zu diesem Zeitpunkt war ich die Königin eines Amazonenstammes und wusste nicht mehr, dass ich Jennifer Jensen hieß und früher einmal Pilotin der US-Army gewesen war. Die Begegnung mit deinem Vater war intensiv, und sie brachte mir mein Gedächtnis und meine alte Identität zurück.

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