2575 - Flucht nach Anthuresta
Jahrhundert, in dem ich nicht
berühmt bin?
Natürlich nicht. Wir verdanken alles dir! Aber du hast noch keine Kenntnis
darüber, nicht wahr?
Kannst du mich aufklären?
Ja, es gibt viel zu erzählen. Entspanne dich und lausche, dann fällt es dem Mann
nicht auf.
Sespa war fassungslos. Sie begegnete einem Gedankenabdruck der sagenhaften Historikerin, die
den Vatrox das Vamu gebracht hatte! Ohne sie hätte das Volk niemals diesen gewaltigen
Entwicklungssprung schaffen können.
Wie ist dieser Kontakt möglich?, fragte auch Lucba staunend.
Du hast dieses Programm entwickelt, und ein Teil von dir ist noch immer darin.
Die Ahninnen sagten es: Du bist der Katalysator, das Bindeglied zwischen Leben und Tod, egal in
welcher Existenzform. Nun, da du dir selbst wieder bewusst geworden bist, wirken sich deine
Kräfte aktiv auf unser Medium aus, das wir mit unserem Geist erreichen können. Wir brauchen
keinen Kreis mehr dazu, denn die Besten von uns werden dazu ausgebildet und reichen weiter, als
jeder Kreis es jemals könnte. Oh, ich bin so aufgeregt! Denkst du, wir werden uns öfter
begegnen?
Nein, leider nicht. Ich werde über die Vergangenheit aufgeklärt, und das soll
wohl so plastisch wie möglich geschehen.
Ja, ihre Sensibilität war immer ihre größte Schwäche. Die Männer wollen dich
beeindrucken, weil sie dich für etwas gewinnen wollen. Oder weil sie dich tatsächlich als Vorbild
für ein großes Vorhaben brauchen, damit das Volk zusammenhält. Sicherlich eine Strategie und
dennoch ein Fehler. Wie sollen sie es auch wissen? Sie konnten niemals unsere Fähigkeiten in eine
Definition pressen, die sie verstanden hätten. Und das werden wir uns zunutze machen, Lucba: Ich
werde Spuren hinterlassenfür deine späteren Besuche.
Ein guter Plan.
Lucba entspannte sich immer mehr. Zeit spielte für sie keine Rolle mehr, sie war nun eine
Unsterbliche und konnte durch die Historie reisen, als wäre sie selbst dort. Zumindest in diesem
Bereich funktionierten ihre Kräfte noch; sie waren sogar verstärkt. Die Stimmen der Vergangenheit
hatten sie nicht verlassen, sie würden sie auch in der fernen Zukunft immer begleiten. Damit
hatte kein Mann mehr Macht über sie.
Wie von ferne hörte sie Kitapors sanfte Stimme. »Ist alles in Ordnung?«
»Bestens«, antwortete sie, ohne den Kontakt zu Sespa zu verlieren. »Diese Simulation ist
wirklich perfekt, ich bin fasziniert. Allerdings hätte ich nicht gedacht, dass ich mich erst so
lange nach meinem Tod wiederfinde.«
»Es handelt sich um wichtige Markierungspunkte. Ist der Zeitbezug ein Problem für dich?«
»Ich verkrafte das schon.«
Er ist ein Idiot, amüsierte sich Sespa.
Du kannst ihn hören?
In deinen Gedanken. Also dann, lass uns auf Reise gehen ... ich habe einen
wichtigen Auftrag zu erfüllen ...
*
Sespa Bradogis Mission war es, das Vamu einer Sterbenden ins Depot zu geleiten, denn es
war nicht gewährleistet, dass es auch den Weg dorthin fand. Je weiter entfernt der Tod die Vatrox
ereilte, desto größer war die Gefahr, dass das Vamu sich verirrte.
Der Vamu-Orden gewann nach Lucba Ovichats sensationeller Verbindung zu den Ahnen mehr Macht
und Einfluss. Die drei stärksten Mentalinnen wurden Leiterinnen der rasch entstehenden Akademien
auf Vamunam, Daagan und Cuurson. Durch intensivierte genetische Zuchtselektion wurde das geistige
Potenzial um ein Vielfaches verstärkt, und neben dem Gedankenlesen bildete sich daher bei einigen
Hochbegabten eine zweite Fähigkeit heraus: eine besondere Empathie, mit der die Mentalinnen das
Vamu aufspüren konnten. Um diese Empathie vollends auszuschöpfen, waren sie zudem in der
Lage, das eigene Vamu vom Körper zu lösen.
Man nannte diese besonders begabten Frauen Vamu-Fängerinnen, deren Aufgabe es war,
überall nach dem Vamu zu suchen und es behutsam heimzugeleiten.
Sespa war die stärkste Empathin ihrer Generation, und mit diesem Auftrag, wenn sie ihn gut
löste, würde ihre Ausbildung abgeschlossen sein. Dann erwartete sie eine neue, viel größere
Mission ...
Sespas Konzentration hatte die höchste Stufe erreicht. Sie spürte, wie sich ihr Vamu vom
Körper löste, der daraufhin erschlaffte und wie tot dalag. Doch dieser Anblick erschreckte sie
schon lange nicht mehr, die Körperfunktionen blieben alle erhalten, auch wenn sie nur noch eine
leere Hülle steuerten.
Leise singend machte die Vamu-Fängerin sich auf den Weg. Es hatte sich
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