2580 - Handelsstern im Visier
bestimmen kann. Wie ein fernes Rufen, so weit entfernt, dass ich keine
einzelnen Worte oder Gedanken verstehe ... aber zu nah, um es ignorieren zu können.«
»Nach allem, was wir wissen«, warf Lloyd/Tschubai ein, »könnte es sich tatsächlich um einen
Netzweber handeln.«
»Es wird stärker«, rief Shanda. Ihre grünbraunen Augen weiteten sich.
Rhodan gewann unwillkürlich den Eindruck eines staunenden Kindes, und der Gedanke versetzte
ihm einen Stich. Hatte er diese Fähigkeit längst verloren bei all den kosmischen Wundern, denen
er begegnet war? Er selbst sah der bevorstehenden Begegnung mit nüchterner Erwartung
entgegen.
Die Hände der Telepathin nestelten an der Kante des Pults. Ihre Nägel wirkten ungepflegt,
einige sahen aus, als wären sie abgekaut worden. »Das Wesen ist neugierig.« Dabei wandte sie den
Blick und fixierte das Konzept.
Dieses nickte, und die dunkle Gesichtshaut legte sich in Falten. »Ich fühle einen Namen. Eine
Bezeichnung, in der diese Erscheinung über sich selbst denkt.«
»Radyl«, murmelte Rhodan geistesabwesend. »Radyl-im-Abstrakten.«
»Du empfängst diese Vorstellung ebenfalls?«, fragte Shanda.
»Man muss keine telepathische Begabung besitzen«, erklärte Clun'stal.
»Der Netzweber stellt von sich aus einen Kontakt her. Er dringt in unsere Gedanken ein.«
»Und frisst sie!« Die Stimme der jungen Telepathin klang angewidert. Sie zog die Arme an und
schlang sie um den eigenen Körper, als würde sie unter einer plötzlichen Kältewelle
erschauern.
»Ich orte die Erscheinung«, meldete Mikru. »Es ist ein ähnliches psi-energetisches Netz, wie
wir es in TALIN ANTHURESTA erlebt haben.«
Es hätte dieser Meldung nicht bedurft. Rhodan spürte selbst, dass die fremde Entität näher
kam. Und es war nicht nur Neugierde, die von Radyl ausging, sondern eine allgemeine Gier, die sich vor allen anderen auf ihn bezog ... auf seine ureigenen Gedanken. Auf all die
Erlebnisse, die hinter ihm lagen und seine Erinnerung bildeten.
»Ich werde versuchen, ihm klarzumachen, weshalb ich gekommen bin«, kündigte Rhodan an. »Ihr
setzt weiterhin alles daran, direkten Kontakt aufzunehmen.«
Intensiv konzentrierte sich der Terraner auf sein Anliegen, auf den Wunsch, den er dem
Netzweber entgegenbrachte. Er versuchte in Gedanken klar und eindeutig zu formulieren, was er
sich erhoffte.
Dabei kam es ihm darauf an, ein Bild in seinem Verstand zu formen, so abstrakt wie möglich zu
denken.
Ob der Netzweber die Botschaft empfing, konnte Rhodan nicht beurteilen. Es schien nicht, als
zeige Radyl eine wie auch immer geartete Reaktion.
Der Terraner warf Lloyd/Tschubai einen fragenden Blick zu. Das Konzept schüttelte den Kopf.
»Uns gelingt keine Kommunikation.«
»Ich kann nicht einmal sagen, ob er mich oder irgendeinen von uns versteht«, ergänzte Shanda.
»Radyls Gedankenwelt bleibt mir verschlossen.«
Erneut stellte Rhodan in Gedanken klar, worauf es ihm ankam. Er konnte nur darauf vertrauen,
dass der Netzweber verstand und einwilligte. Gewissheit erlangte er nicht.
Der Terraner nahm den Flug wieder auf. Der Treffpunkt mit den sieben Silberkugeln wartete auf
ihn.
7.
Betty Toufry musterte das Hologramm, das die Orterergebnisse der Umgebung in ein
dreidimensionales Bild umwandelte.
Die orangerote Zwergsonne, in deren Schatten die inzwischen sechs Silberkugeln standen,
bildete den Mittelpunkt. Rundum zeigte das Holo weitere Sonnen, einige Asteroiden, die durch den
Leerraum zwischen den Systemen rasten ... und in weniger als hundert Lichtjahren Entfernung ihr
eigentliches Ziel:
TZA'HANATH, das geheime Forschungszentrum der Frequenz-Monarchie.
Ein gewaltiges Gebilde aus roten Zwergsonnen, die in einem perfekten Achteck standen. Diese
Sonnen waren allerdings nichts als pseudomaterielle Projektionen, in denen sich jeweils ein
Handelsstern verbarg.
Obwohl Betty dank Sichu Dorksteigers Informationen auf den Anblick vorbereitet gewesen war,
traf er sie im Innersten. Diese Festung wollten sie erstürmen, dieses kosmische Wunder einnehmen
und den Truppen der Frequenz-Monarchie entreißen?
Zu ihrer Überraschung konnten sie nur wenige hundert Schlachtlichter in der unmittelbaren
Umgebung orten. Ob sich weitere versteckt hielten? Oder bewachte tatsächlich nur eine
vergleichsweise geringe Anzahl der feindlichen Schiffe das Forschungszentrum?
Betty vermochte die Gefahr beinahe körperlich zu spüren. Zwar boten ihnen die
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