2590 - Der Tote und der Sterbende
Waffengewalt geöffneten Aufrisses gerissen werden. Hinein ins Unbekannte, das nicht nur Tod garantiert, sondern auch grässliche Erfahrungen während der letzten Lebenssekunden.
»Ich hab etwas!« Perrys Stimme reißt mich aus meinen Überlegungen, ich drehe mich ihm zu. Er sitzt mittlerweile aufrecht, die Blicke scheinbar ins Unendliche gerichtet.
Er vollführt mehrere kompliziert wirkende Bewegungen mit den Händen. Es sind Gesten, die auch auf vielen terranischen Schiffen Verwendung finden. Perry adaptiert MIKRU-JON mehr und mehr für seine Zwecke.
Auf seinen Wunsch erscheint ein weiteres Holo-Bild. Es zeigt ein Trümmerstück, dessen Abmessungen mit acht mal zehn mal acht Metern angegeben wird.
»Ist es das?«, frage ich. »Befindet sich dort die Quelle der anansarähnlichen Strahlung?«
»Nein«, gibt Perry zögernd zur Antwort. »Aber von diesem Brocken geht eine Sextadimstrahlung aus, vergleichbar mit jener, wie sie mit Sextadimschleiern in Verbindung gebracht wird.«
Was bedeutet dieser Fund? Er stellt eine weitere Facette auf unserer Suche nach dem PARALOX-ARSENAL dar und markiert keinesfalls das Ende unserer Reise, wie ich erhofft hatte.
Ich fühle Enttäuschung und ich ertappe mich dabei, einmal mehr auf die Uhr zu blicken. Mittlerweile ist es 15.49 Uhr. Jede Minute, die ergebnislos verrinnt, geht von meinem genau definierten Zeit- und Lebensguthaben ab.
Die Holo-Darstellung zoomt weg von dem unregelmäßig geformten Objekt. Es befindet sich im ungefähren Zentrum jenes Gesteinsschwarms, der dem taumelnden Mond folgt, von dessen Schwerkraft hinterhergezogen. Zugstrahlen, von Perry gesteuert, greifen eben danach. Er versucht, den Brocken möglichst sauber und sanft an MIKRU- JON heranzubringen.
Es handelt sich um eine Aufgabe, wie sie nur dank der innigen Verbindung meines Freundes mit dem Schiff reibungslos möglich ist. Fasziniert sehe ich, wie kleinere und größere Gesteinsteile beiseitegeschoben oder in ihrem Rotationsverhalten beeinflusst werden, während das Zielobjekt näher und näher heranschwebt.
Es wird wohl einige Minuten dauern, bis es sich im unmittelbaren Andockbereich befindet.
»Es hat mit ES zu tun, keine Frage«, sagt Mondra zu mir. »Die Sextadimschleier basieren auf Technik, die die Superintelligenz in Far Away eingesetzt hat.«
»Mag sein.« Ich bleibe kurz angebunden. Mein Kopf schmerzt, und es fällt mir zunehmend schwerer, meine Gedanken beisammenzuhalten. Ist dies bereits auf das Nachlassen der lebensaktivierenden Impulse des Zellaktivators zurückzuführen?
Mondra redet weiter. Sie äußert Vermutungen über ergänzende Spuren, die Lotho Keraete hinterlassen haben könnte.
Ich höre nicht weiter zu. Ich finde weder Kraft noch Konzentration, um gemeinsam zu spekulieren. Ich gehe in die Knie, um Ramoz' Rückenfell zu kraulen; doch das halb intelligente Tier macht einen Buckel und tut einen kleinen Sprung zur Seite. Es lässt mich wissen, dass meine Berührungen nicht gewünscht sind.
»Du wirkst nicht sonderlich interessiert an dem, was ich sage«, sagt Mondra mit sanftem Vorwurf in der Stimme. Sie zeigt jenes bezaubernde Lächeln, das geholfen hat, Perry für sie einzunehmen.
»Ich bin ein wenig müde«, rechtfertige ich mich.
Tatsächlich fühle ich grenzenlose Erschöpfung. Meine persönliche Situation zehrt ebenso an mir wie das Nichtstun. Perry ist derzeit der Einzige, der aktiv in die Geschehnisse eingreifen kann.
Dies ist nichts Ungewöhnliches. Viele Positionen in Raumschiffen sind »passiv-inaktiv« belegt. Die Mehrheit des
Techniker, Wissenschaftler und Einsatzsoldaten umfassenden Personals wartet auf Abruf. Diese Leute beschäftigen sich mit systemimmanenten Aufgaben und kümmern sich um Routineangelegenheiten, die genauso gut von Maschinen und Positroniken erledigt werden können. Sie warten, trainieren, lernen, forschen, schlagen Zeit tot.
Raumschiffsbesatzungen sind aufgestellt wie Fußballmannschaften; mit dem Unterschied, dass wenige Feldspieler einer Vielzahl von Torleuten gegenüberstehen. Torleuten, die kaum etwas zu tun haben; doch wenn es drauf ankommt, müssen sie augenblicklich und hundertprozentig bei der Sache sein.
Mehrere Holos zeigen explodierende Schiffe der Vatrox und der Jaranoc. Icho Tolot zündet ein weiteres Feuerwerk. Die sich gegenüberstehenden Einheiten der Frequenz-Monarchie und VATROX- VAMUS wollen einfach nicht begreifen, dass sie einem Feind gegenüberstehen, dem sie nicht beikommen können. Immer wieder versuchen sie
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