261 - Ein falscher Engel
dass da noch mehr von denen kommen.«
Geschmeidig stieg der Krieger vom Felsen. Mit gezücktem Schwert trat er vor Ninian hin. Er stank wie ein ganzes Taratzennest, aber sie blieb gleichgültig. »Ich bin Ninian«, raunte sie heiser. »Bring mich zu deinem Chieftain, ich habe eine Nachricht für ihn.«
»Du willst zum Gallo?«, fragte der Krieger misstrauisch. »Was soll das für’ne Nachricht sein?«
»Das kann ich nur ihm selber sagen. Es geht um die Mecgregers.«
»Hm.« Der Krieger überlegte. »Maik«, befahl er einem seiner Männer, »geh runter zum Gallo und frag ihn, ob er die da empfangen will. Aber flott.«
Maik trabte los. Eine gute Viertelstunde lang wartete die Gruppe, dann erschien Maik wieder. »Gallo will’se sehen«, sagte er außer Atem. »Wir soll’n se runterbringen.«
Ninian wurde nach Kileeg eskortiert und am Eingang zur Burg gründlich abgetastet, obwohl sie die Flügelschwerter und drei Dolche freiwillig abgab. Der Krieger, der die Prozedur vornahm und es zu genießen schien, fand keine weiteren Waffen mehr. Die kleine Flöte, die sie um den Hals hängen hatte, durfte Ninian behalten. Ihren Tornister allerdings musste sie ablegen. »Bringt alles in den Keller, zur Waffenkammer«, befahl der Erste Wachhabende.
Kurze Zeit später stand sie Gallo, Lees und zehn schwer bewaffneten Kriegern gegenüber – in dem riesigen Saal, in dem sie neulich schon gewesen war.
»Also, was willste hier, Ninian?« Der Chieftain war nicht weniger nervös als seine Männer. Zum wiederholten Mal drehte er den Kopf und schaute nach draußen. »Und wo sind die anderen?«
Wieder deutete Ninian auf ihren Mund und dann auf Gallos Ohr.
»Ah ja, der Maik hat gesagt, dass du nur flüstern kannst.« Gallo starrte sie misstrauisch an. »Aber so einfach geht das nich. Männer, fesselt sie.«
Ninian musste sich auf einen Stuhl setzen. Ihre Hände und Beine wurden mit Stricken daran festgebunden. Erst als sie sich nicht mehr rühren konnte, schob Gallo seinen Stuhl dicht an ihren heran.
»Ich will Rache an den Mecgregers und an den Exekutoren«, flüsterte sie mit hasserfüllter Stimme. »Aber das schaffe ich nicht allein. Du und deine Männer, Gallo, ihr müsst mir dabei helfen.«
Der Chieftain zog den Kopf zurück und starrte sie verblüfft an.
»Wir soll’n dir helfen, die Mecgregers und die Exekutoren umzunieten?«, sagte er laut. »Warum sollt’mer das tun? Wir sind schließlich nich blöd. Und außerdem sehr friedliebend«, fügte er schnell noch an. Einer der Krieger begann zu kichern, verstummte aber abrupt unter Gallos bösem Blick.
Ninian bewegte die Lippen. Sofort beugte sich Gallo wieder zu ihr hinüber. »Weil auch ihr einen Vorteil davon haben werdet«, sagte sie.
»So? Und welcher Vorteil soll das sein?«
»Heute in sieben Tagen besucht einer der Reenschas in Begleitung der Exekutoren die Mecgregers, um die erste Uisge-Ladung in Empfang zu nehmen. Das ist unsere Stunde. Ich werde die Deestyl in die Luft jagen, sobald sie drinnen sind. Aber das schaffe ich nicht alleine. Dazu brauche ich eure Hilfe, wie gesagt.«
Gallo starrte sie an.
»Was sagt’se?«, wollte Lees wissen.
»Sie will die Mecgreger-Deestyl inne Luft jagen.« Gallo grinste.
»Schöner Gedanke. Aber ich versteh noch nich, warum’de das tun willst, Weib. Warum ham dich die Exekutoren zum Teufel gejagt, und was haste gegen die Mecgregers?« Er sah Ninian herausfordernd an.
Ninian senkte den Blick. »Vor zwei Tagen waren wir bei den Mecgregers, wegen dem neuen Uisge-Vertrag. In der Nacht wurden wir überfallen, und es gab ein riesiges Gemetzel.«
»Wasde nich sagst…« Gallo schüttelte den Kopf. »Wer waren diese Angreifer?«
»Das weiß ich nicht«, entgegnete Ninian. »Wir haben sie bis auf den letzten Mann erledigt.« Sie sah, wie Gallos Gesichtszüge entgleisten. Ein klarer Beweis, wer die Attentäter geschickt hatte.
»Ihr habt’se alle… erledigt?«, fragte er laut. Daraufhin erstarrten die Anwesenden, und einige Krieger bewegten sich unbehaglich.
»Sie haben etliche Mecgregers und vier Exekutoren getötet und ein Haus niedergebrannt«, fuhr Ninian fort. »Natürlich waren die Mecgregers stinksauer, und Alastar, der Oberste der Exekutoren, hat mich zum Sündenbock gemacht, weil ich zu dem Zeitpunkt Wache hatte. Er wollte mich an den Clan ausliefern, aber ich konnte mich gerade noch aus dem Staub machen.«
Gallo gab laut weiter, was er vernommen hatte. »Hm«, sagte er dann. »Und die Reenschas wollen trotzdem
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