265 - Das letzte Tabu
Ärztin ab, »der binnen Stunden unsichtbar verheilt sein wird, ohne Narbenbildung. Die Haut wird geklebt, nicht genäht. Völlig problemlos und in zwei Minuten erledigt.«
»Wurde das Ding getestet?«, fragte Matt nicht sonderlich beruhigt.
»Nein, wie auch?«, antwortete Julanda Saintdemar. »Es ist speziell für diesen einen Zweck entwickelt worden. Aber Sie können sicher sein, dass es keine schädlichen Nebenwirkungen besitzt. Und bei unerwarteten Komplikationen genauso schnell wieder entfernt werden kann.«
Bevor Matt einen weiteren Einwand erheben konnte, ergriff wieder Angelis das Wort. »Die einzige Alternative wäre es, Miss Aruula in Kälteschlaf zu versetzen, bis sie beide wieder abreisen. Ohne den Blocker bleibt ihr der Zutritt zum Planeten verwehrt. Sie entscheiden.«
»Aruula…?« Matt trat neben seine Gefährtin und legte eine Hand auf ihre Schulter. »Es ist deine Entscheidung.«
Nach einigen Sekunden nickte Aruula. »Machen wir es kurz und hoffentlich schmerzlos.«
Damit war es entschieden. Die Ärztin führte eine örtliche Betäubung und den winzigen chirurgischen Eingriff in Minutenschnelle aus.
»Wie fühlst du dich?«, fragte Maddrax danach angespannt.
»Es ist… ungewohnt«, sagte Aruula und schien nach innen zu lauschen. »So still. Als wäre ich benommen von einem Schlag gegen die Stirn - aber ohne Schmerzen.«
Nur Matt konnte sich vorstellen, was jetzt in der Kriegerin vorging. Schon einmal waren ihr die Lauschkräfte genommen worden; damals, als der Weltrat ihre telepathischen Kräfte ins Vielfache potenziert hatte und es schließlich keine andere Möglichkeit gab, sie komplett zu unterdrücken, um Aruula vor dem Wahnsinn zu retten. [2]
»Eins noch«, fiel ihm ein. »Was ist mit unseren Waffen? Aruulas Schwert, mein Driller und der Kombacter?«
»Die werden wir mit hinunternehmen zum Mars«, gab Tendon Angelis Auskunft. »Aber rechnen Sie nicht damit, sie ausgehändigt zu bekommen. Zumindest nicht vor der Rückreise zur Erde durch den Zeitstrahl.«
Matt nickte, aber in dieser Sache war das letzte Wort noch nicht gesprochen. Er hatte vor, den leeren Kombacter - eine uralte Hydreewaffe - wieder aufzuladen. Und das ging eben nur auf dem Mars.
***
14. April 2526 (Erdzeit), Elysium auf dem Mars
Nach einem vierstündigen Flug landete das Shuttle unweit des Raumhafen-Towers. Das Fahrzeug war doppelt so groß wie jenes, das Matt und Aruula zur Mondbasis gebracht hatte. Mehrere Dutzend Personen hatten darin Platz gefunden, dazu große Mengen an Gerät und nicht zuletzt der mobile Kryo-Sarg mit Hi'schi. Er stand im Frachtraum, der durch ein schweres Sicherheitsschott vom Passagierbereich abgetrennt war.
Nach wie vor galt das, was Tendon Angelis zum Dogma erklärt hatte: Das Schicksal Hi'schis lag in anderen Händen als den ihren; die Marsregierung und der Rat würden darüber befinden. Einstweilen aber, so viel stand bereits fest, sollte er in eine Einrichtung innerhalb Elysiums verbracht werden, wo man den Drakullen zum einen wecken und sich zum anderen um ihn kümmern würde.
Aber genau in diesem »Kümmern« liegt der Hund begraben , dachte Matt düster. Um es mal salopp auszudrücken.
Er behielt seine Gedanken jedoch für sich, wollte nicht noch mehr Öl ins Feuer gießen.
Aruula reagierte seit ihrem telepathischen Kontakt mit Hi'schi extrem sensibel auf das Thema.
Als sich die Schleuse öffnete und die Rampe ausfuhr, hielten sich Matt und Aruula zunächst noch bedeckt. Sie hatten es nicht so eilig wie die Männer und Frauen, die mit der CARTER IV von einer kräftezehrenden Außenmission auf der Lunabasis zurückkehrten. Die Freude der Heimkehrer, endlich wieder durch freie Landschaft spazieren und natürliche Luft atmen zu können, war nur verständlich. Ebenso die Sehnsucht nach der gewohnten Umgebung und lange vermissten Familienangehörigen oder Freunden.
»Irgendwie beneidenswert, findest du nicht auch?«, fragte Aruula. Sie sah hinreißend sexy aus in dem Anzug aus Spinnenseide, der ihre Körperformen noch betonte. »Sie wissen, worauf sie sich freuen dürfen. Aber ich weiß immerhin auch, worüber ich alles andere als jubeln werde.«
Nicht schon wieder! Matt wusste genau, worauf sie anspielte, aber allmählich war er es leid, sich permanent wegen seines lange zurückliegenden und doch auch irgendwo nachvollziehbaren Fehltritts zu rechtfertigen.
Es war passiert. Er bereute es. Aber er konnte die Zeit nicht zurückdrehen. Basta.
So hätte er es sich gewünscht.
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