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265 - Das letzte Tabu

265 - Das letzte Tabu

Titel: 265 - Das letzte Tabu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Weinland
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ihnen zu sprechen, hatte sich noch nicht ergeben.
    Offenbar war Chandra, die bislang geschwiegen, allenfalls freundlich genickt und Hände geschüttelt hatte, bereits im Vorfeld für sie zuständig erklärt worden.
    Als hätte jemand ein möglichst shakespeareskes Drehbuch für uns geschrieben , dachte Matt hin und her gerissen. Einerseits freute er sich mehr, als er nach außen zeigen durfte, Chandra nach so langer Zeit wiederzusehen. Andererseits aber wusste er, dass Konflikte und Reibereien vorprogrammiert waren. Er wusste ja nicht einmal, wie Chandra mit dieser für sie sicherlich auch nicht einfachen Situation umgehen würde.
    In ihrer gemeinsamen Zeit hatte sie ihn oft mit unkonventionellen Ideen und Reaktionen überrascht. Aber sie war vier Jahre älter geworden, genau wie er auch. Dass sein Körper in dieser Zeit nicht merklich gealtert war, zählte nicht. Es waren Erlebnisse, Erfahrungen, die einen prägten.
    Zu seinem Erstaunen wirkte sie aber noch genauso, wie sie ihm in Erinnerung geblieben war. Auch sie schien keinen Tag älter geworden zu sein.
    Aruulas Einschätzung differierte dazu fast schon zwangsläufig. »Sie sieht älter aus, als ich dachte«, raunte sie ihm zu, nicht wirklich bemüht, so leise zu sprechen, dass es Chandra verborgen bleiben musste.
    Matt quittierte ihre Aussage mit einem Kopfschütteln, das sehr viel diskreter ausfiel als Aruulas Kommentar. Er war Gentleman - und stand in diesem Moment eher auf Chandras Seite. Zumindest solange sich Aruula kein Fettnäpfchen durch die Lappen gehen ließ.
    »Matthew Drax… wie schön, dich zu sehen. Ich hoffe, du hattest eine gute Zeit.«
    Viel besser konnte man eine Wiederbegegnung, die zumindest von einem Augenpaar kritisch beäugt wurde, nicht einläuten.
    »Die Freude ist auf meiner Seite, Chandra.« Er trat vor und wollte ihr zunächst nur die Hand schütteln, doch dann kam sie ihm geschmeidig entgegen, und er konnte ihrer - angemessen unverbindlichen, wie er meinte - Umarmung nicht mehr ausweichen.
    Ein schneller Blick zur Seite bestätigte die vermutet säuerliche Miene, die dies bei seiner Lebensgefährtin erzeugte. Kaum hatte er sich von Chandra gelöst, die entweder auf Etikette pfiff oder sich die Bandbreite marsianischer Begrüßungsfloskeln zunutze machte, wies Matt mit der Hand auf Aruula und sagte: »Das ist meine Partnerin, Aruula.«
    »Von den Dreizehn Inseln«, fügte Aruula im Grunde unnötig hinzu - aber es belegte ihre Nervosität.
    Chandra wirkte beeindruckt, als sie sich ihr zuwandte. »Dreizehn, wirklich? Und sind sie groß, diese Inseln? Größer als…«, sie machte eine ausholende Geste, »… das hier? Elysium, meine ich.«
    »Man kann es nicht vergleichen«, beeilte sich Matt, einzuwerfen.
    Chandra schien es dabei bewenden lassen zu wollen. Doch unversehens musterte sie Aruula von Kopf bis Fuß und fragte in einem Ton, der niemals einen Hintergedanken hätte vermuten lassen - oder gar eine gezielte Spitze: »Erstaunlich. Sind alle Frauen auf der Erde so… stämmig gebaut? Das liegt vermutlich an der höheren Schwerkraft.« Ihr unschuldiger Augenaufschlag, dazu ein hinterhältig-freundliches Lächeln - das alles waren eher Ausrufezeichen als Abschwächungen des Gesagten.
    Matt spürte, wie ihm die Situation entglitt - keine drei Minuten, nachdem die mit Bauchschmerzen erwartete Konfrontation stattgefunden hatte.
    Er war froh, als Vogler und Clarice die Situation retteten - so weit dies überhaupt noch möglich war - und sich in den Vordergrund schoben. »In Sachen Menschen und deren Gepflogenheiten«, sagte Vogler charmant und nickte Clarice zu, »sind wir beide vermutlich die deutlich kompetenteren Diskussionspartner als die Erdenmenschen selbst. Objektivität ist das Zauberwort.«
    »Wahre Worte.« Chandra fand zu ihrer Diplomatie zurück, auch wenn sie ebenso leicht provozierbar wirkte wie Aruula.
    Gleich zwei Ladies von diesem Kaliber… ich hab's wohl nicht besser verdient.
    »Wir hatten um eine Gelegenheit gebeten, beim marsianischen Rat vorzusprechen«, warf Matt ein, nachdem Chandra mit Vogler und Clarice ein paar Gedanken ausgetauscht hatte.
    Chandra schien sich keine weitere Blöße geben zu wollen. Betont sachlich erwiderte sie: »Ich bin beauftragt, euch mit dem festgelegten Protokoll vertraut zu machen. Aber kommt erst einmal an. Die Ereignisse an Bord haben ein ungeteiltes Echo der Bewunderung unter allen Ratsmitgliedern hervorgerufen. Die Art und Weise, wie ihr die lebensbedrohliche Krise gemeistert

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