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2666

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Titel: 2666 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Bolaño
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wurde von drei schwarzen Polizisten festgenommen, die ihn nicht aufs Kommissariat bringen, sondern zu einem Flughafen. Dort trifft der Verhaftete auf den ebenfalls schwarzen Vorgesetzten der Polizisten. Der weiße Typ ist ziemlich clever und begreift schnell, dass er es mit Beamten der DEA zu tun hat. Nach etwas Small Talk und vielsagendem Schweigen gelangen sie zu einer Art Abmachung. Während der Unterhaltung tritt der Typ ans Fenster. Er sieht vor sich die Landebahn, auf der gerade eine Cessna zum Stehen kommt. Die Sportmaschine bringt eine Ladung Kokain. Der Mann, der die Kisten öffnet und die Kokainplatten herausnimmt, ist schwarz. Neben ihm steht noch ein Schwarzer, der die Drogen in eine Tonne wirft, in der ein Feuer brennt, wie sie die Obdachlosen anzünden, um sich in Winternächten warm zu halten. Aber diese schwarzen Polizisten sind keine Bettler, sondern Beamte der DEA, gutgekleidete Regierungsbeamte. Der Typ wendet sich vom Fenster ab und spricht den Einsatzleiter darauf an, dass alle seine Leute schwarz seien. Die sind motivierter, sagt der Einsatzleiter. Dann sagt er: Du kannst jetzt abhauen. Als der Typ geht, lächelt der Einsatzleiter, aber rasch verzieht sich das Lächeln zu einer Grimasse. In diesem Moment stand Fate auf und ging aufs Klo, wo er die letzten noch in seinem Magen verbliebenen Reste des Lamms erbrach. Anschließend verließ er das Kino und kehrte in die Wohnung seiner Mutter zurück.
    Bevor er die Wohnungstür aufschloss, klopfte er bei der Nachbarin. Ihm öffnete eine Frau, ungefähr in seinem Alter, die Sonnenbrille und einen grünen, um ihr Haar geschlungenen afrikanischen Turban trug. Er nannte seinen Namen und fragte nach der Nachbarin. Die Frau sah ihm in die Augen und ließ ihn herein. Das Wohnzimmer ähnelte dem seiner Mutter, sogar die Möbel waren nahezu die gleichen. Im Zimmer sah er sechs Frauen und drei Männer. Einige standen oder lehnten am Durchgang zur Küche, aber die meisten waren sitzen geblieben.
    »Ich bin Rosalind«, sagte die Frau mit dem Turban, »Ihre und meine Mutter waren eng befreundet.«
    Fate nickte. Aus dem hinteren Teil der Wohnung drang leises Schluchzen. Eine der Frauen stand auf und ging ins Schlafzimmer. Als sie die Tür öffnete, wurde das Schluchzen lauter, aber nachdem die Tür zu war, hörte man nichts mehr.
    »Meine Schwester«, sagte Rosalind mit genervter Miene. »Möchten Sie einen Kaffee?«
    Fate nahm dankend an. Als die Frau in die Küche ging, trat einer der herumstehenden Männer auf ihn zu und fragte, ob er Miss Holly sehen wolle. Er nickte. Der Mann führte ihn zum Schlafzimmer, blieb aber hinter ihm vor der Tür stehen. Auf dem Bett lag die tote Nachbarin, und neben ihr kniete eine Frau und betete. In einem Schaukelstuhl am Fenster sah er das Mädchen in Jeans und schwarzem Kleid mit gelben Blumen. Sie schaute ihn aus geröteten Augen an, als sähe sie ihn heute zum ersten Mal.
    Nach Verlassen des Raums setzte er sich auf die Kante eines Sofas, auf dem Frauen saßen, die sich in Einsilbern unterhielten. Als Rosalind ihm die Kaffeetasse reichte, fragte er sie, wann ihre Mutter gestorben sei. Heute Nachmittag, antwortete Rosalind heiter. Woran ist sie gestorben? Altersschwäche, sagte Rosalind mit einem Lächeln. Zurück in der Wohnung seiner Mutter bemerkte Fate, dass er noch immer die Kaffeetasse in der Hand hielt. Im ersten Moment wollte er umdrehen und sie zurückbringen, dann aber überlegte er, dass es besser sei, die Sache auf morgen zu verschieben. Es war ihm unmöglich, den Kaffee zu trinken. Er deponierte ihn neben den Videos und der Urne mit der Asche seiner Mutter, dann schaltete er den Fernseher ein, löschte die Lichter in der Wohnung und streckte sich auf dem Sofa aus. Den Ton stellte er ab.
    Das Erste, was er sah, als er am nächsten Morgen die Augen aufschlug, war eine Zeichentrickserie. Eine Unmenge Ratten, die durch die Stadt liefen und stumme Schreie ausstießen. Er griff mit einer Hand nach der Fernbedienung und schaltete um. Als eine Nachrichtensendung erschien, stellte er den Ton an, jedoch nicht sehr laut, und stand auf. Er wusch sich Gesicht und Hals, und beim Abtrocknen wurde ihm bewusst, dass das Handtuch auf dem Halter mit größter Wahrscheinlichkeit das letzte Handtuch war, das seine Mutter benutzt hatte. Er roch an ihm, konnte aber keinen vertrauten Geruch wahrnehmen. Im Badezimmerregal lagen verschiedene Medikamente und einige Döschen mit Feuchtigkeitscremes oder Wundsalben. Er rief bei seiner

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