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Hand an ihren Mund und biss ihm in einen Finger. Manchmal bissen ihre Zähne zu fest, und dann runzelte Corona leicht die Stirn.
Auf ihrer letzten Station traf Fate Omar Abdul und seinen Sparringspartnerkollegen. Sie standen allein an einem Ende des Tresens und tranken. Er ging hinüber und begrüßte sie. Der Kollege, García, gab kaum ein Zeichen des Wiedererkennens. Omar Abdul dagegen schenkte ihm ein breites Lächeln. Fate fragte, wie es Merolino Fernandez gehe.
»Gut, sehr gut«, sagte Omar Abdul. »Ist auf der Ranch.«
Bevor Fate sich von ihnen verabschieden konnte, fragte ihn Omar Abdul, wieso er noch nicht die Biege gemacht habe.
»Die Stadt gefällt mir«, sagte Fate etwas wahllos.
»Eine Scheißstadt ist das, Bruder«, sagte Omar Abdul.
»Aber es gibt schöne Frauen hier«, sagte Fate.
»Die Frauen hier sind ihre eigene Scheiße nicht wert«, sagte Omar Abdul.
»Vielleicht solltest du nach Kalifornien zurückgehen«, sagte Fate.
Omar Abdul sah ihn an und nickte mehrmals.
»Ich wäre auch gern ein verdammter Journalist«, sagte er, »euch entgeht nie was, hab ich recht?«
Fate zückte einen Geldschein und rief den Barkeeper. Die nächste Runde meiner Freunde hier geht auf mich. Der Barkeeper nahm den Schein und sah die beiden Sparringspartner abwartend an.
»Noch zwei Mezcal«, sagte Omar Abdul.
Als er wieder an seinem Tisch saß, fragte ihn Chucho Flores, ob er mit den Boxern befreundet sei.
»Das sind keine Boxer«, sagte Fate, »das sind Sparringspartner.«
»García war ein in Sonora ziemlich bekannter Boxer«, sagte Chucho Flores. »Er war kein Champion, aber er konnte einstecken wie kein Zweiter.«
Fate sah zum anderen Ende des Tresens hinüber. Omar Abdul und García saßen immer noch schweigend da und betrachteten die Reihen der Flaschen.
»Eines Nachts drehte er durch und brachte seine Schwester um«, sagte Chucho Flores. »Sein Anwalt schaffte es, dass ihm vorübergehende Unzurechnungsfähigkeit attestiert wurde, und so saß er lediglich acht Jahre in Hermosillo im Knast. Nach seiner Entlassung wollte er nicht mehr boxen. Eine Zeitlang war er bei den Pfingstlern in Arizona. Aber die Gabe der Beredsamkeit hatte Gott ihm vorenthalten, und eines Tages gab er das Predigen der Frohen Botschaft auf und begann in Diskotheken als Rausschmeißer zu arbeiten. Bis López, der Trainer von Merolino, ihn als Sparringspartner engagierte.«
»Zwei totale Versager«, sagte Corona.
»Ja«, sagte Fate, »dem Kampf nach zu urteilen, zwei totale Versager.«
Anschließend, und daran konnte er sich deutlich erinnern, landeten sie im Haus von Charly Cruz. Es war ihm wegen der Videos in Erinnerung geblieben. Genauer: Wegen dem angeblichen Video von Robert Rodríguez. Das Haus von Charly Cruz war groß, einstöckig, massiv wie ein Bunker und warf seinen Schatten - auch daran erinnerte er sich deutlich - auf eine Brachfläche. Einen Garten gab es nicht, dafür eine Garage für vier bis maximal fünf Autos. Irgendwann in der Nacht, aber das erinnerte er schon undeutlicher, hatte sich ein vierter Mann der Kolonne angeschlossen. Der vierte Mann sagte nicht viel, lächelte aber ohne ersichtlichen Grund und wirkte sympathisch. Er war braunhäutig und schnurrbärtig. Und er fuhr bei Fate mit, saß neben ihm und lächelte zu jedem Wort, das er sagte. Von Zeit zu Zeit schaute er sich um, und von Zeit zu Zeit sah er auf seine Uhr. Sagte aber kein einziges Wort.
»Bist du stumm?«, fragte Fate auf Englisch nach mehreren Versuchen, ein Gespräch in Gang zu bringen. »Hast du keine Zunge? Was starrst du dauernd auf die Uhr, Idiot?« Worauf der Typ unverändert lächelte und nickte.
Das Auto von Charly Cruz fuhr an der Spitze, dahinter das von Chucho Flores. Manchmal konnte Fate die Silhouetten von Chucho und Rosa Amalfitano erkennen. Meist dann, wenn sie an einer Ampel standen. Hin und wieder waren sich die Silhouetten so nah, als würden sie sich küssen. Andere Male sah er nur die Silhouette des Fahrers. Einmal versuchte er, seitlich neben Chuchos Wagen vorzufahren, was ihm aber nicht gelang.
»Wie spät ist es?«, fragte er den Schnauzbärtigen, und der zuckte mit den Schultern.
Eine der Betonwände auf Charly Cruz' Garage zierte eine Wandmalerei von etwa zwei mal drei Metern. Sie zeigte die Jungfrau von Guadalupe inmitten einer üppigen Landschaft mit Flüssen und Wäldern, Gold- und Silberminen, Ölfördertürmen, riesigen Mais- und Weizenfeldern und endlosen Weideflächen, auf denen Rinder grasten. Die
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