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2666

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Titel: 2666 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Bolaño
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bin ich so sicher, dass sich die Schönheit von Rosa Amalfitano durch das plötzliche Erscheinen einer Hollywood-Diva abschwächen würde? Und wenn es anders wäre? Und wenn sie zunähme? Und wenn alles von dem Moment an zunähme, wo eine Hollywood-Diva den Fuß über die Schwelle des Taco-Königs setzte?

Hinterher fuhren sie, wie er sich undeutlich erinnerte, in mehrere Diskotheken, in drei vielleicht. Es konnten auch vier gewesen sein. Nein, drei. Der vierte Laden, zu dem sie fuhren, war genau genommen keine Diskothek, aber auch keine Privatwohnung. Die Musik war laut. Eine der Diskotheken, nicht die erste, besaß einen Patio. Von dem Hof aus, in dem sich Saft- und Bierkisten stapelten, konnte man den Himmel sehen. Einen Himmel schwarz wie der Grund des Meeres. Irgendwann musste Fate sich übergeben. Dann lachte er, weil etwas im Hof ihn amüsierte. Was? Er wusste es nicht. Etwas, das sich am Gitterzaun bewegte oder daran entlangkroch. Vielleicht ein Zeitungsblatt. Als er wieder hineinging, sah er, wie Corona Rosa Méndez küsste. Seine rechte Hand drückte eine ihrer Brüste. Als er an ihnen vorbeikam, öffnete Rosa die Augen und sah ihn an, als kennte sie ihn nicht. Charly Cruz lehnte am Tresen und unterhielt sich mit dem Barkeeper. Er fragte ihn nach Rosa Amalfitano. Charly Cruz zuckte die Schultern. Er wiederholte die Frage. Charly Cruz sah ihm ins Gesicht und sagte, vielleicht ist sie in den Séparées.
    »Wo sind die Séparées?«, fragte Fate.
    »Oben«, sagte Charly Cruz.
    Fate stieg die einzige Treppe hinauf, die er fand: Eine Metalltreppe, die leicht schwankte, als wäre sie nicht fest verankert. Sie erinnerte ihn an Treppen auf alten Schiffen. Oben mündete sie auf einen Flur mit grünem Teppichboden. Am Ende des Flurs stand eine Tür offen. Musik drang heraus. Auch das Licht, das aus dem Zimmer fiel, war grün. In der Mitte des Flurs stand ein junger, schlaksiger Typ, der zu ihm herübersah und dann auf ihn zukam. Fate dachte, er werde ihn angreifen, und bereitete sich im Geiste auf den ersten Faustschlag vor. Aber der Typ ließ ihn vorbei und stieg dann die Treppe hinunter. Sein Gesicht war sehr ernst, erinnerte sich Fate. Er ging weiter, bis er zu einem Zimmer kam, in dem er Chucho Flores mit einem Handy telefonieren sah. Neben ihm auf der Schreibtischkante saß ein Typ von Mitte vierzig in einem karierten Hemd mit Fliege, der ihn unverwandt ansah und mit einer Kopfbewegung fragte, was er wolle. Chucho Flores bemerkte die Kopfbewegung des Typen und sah zur Tür.
    »Na los, Fate, komm rein«, sagte er.
    Die Lampe, die von der Decke hing, war grün. Neben einem Fenster saß in einem Sessel Rosa Amalfitano. Sie hatte die Beine übereinandergeschlagen und rauchte. Als Fate über die Schwelle trat, hob sie den Kopf und sah ihn an.
    »Wir machen hier ein paar Geschäfte«, sagte Chucho Flores.
    Fate lehnte sich an die Wand, als müsste er nach Luft schnappen. Es ist das Grün, dachte er.
    »Verstehe«, sagte er.
    Rosa Amalfitano wirkte wie unter Drogen.
    Irgendwann, glaubte Fate sich zu erinnern, hatte jemand verkündet, dass er heute Nacht Geburtstag habe, jemand, der nicht zu ihnen gehörte, aber den Chucho Flores und Charly Cruz zu kennen schienen. Während er ein Glas Tequila trank, begann eine Frau, Happy Birthday zu singen. Anschließend stimmten drei Männer (war Chucho Flores einer von ihnen?) das mexikanische Geburtstagsständchen Las mañanitas del rey David an. Viele Stimmen fielen ein. Neben ihm am Tresen stand Rosa Amalfitano. Sie sang nicht, übersetzte ihm aber den Text des Liedes. Fate fragte sie, was König David mit irgendjemandes Geburtstag zu tun habe.
    »Weiß ich nicht«, sagte Rosa. »Ich bin keine Mexikanerin, sondern Spanierin.«
    Fate dachte an Spanien. Er wollte sie schon fragen, aus welchem Teil Spaniens sie käme, als er sah, wie in einer Ecke des Raums ein Mann eine Frau ohrfeigte. Die erste Ohrfeige riss den Kopf der Frau brutal herum, die zweite warf sie zu Boden. Ohne nachzudenken, versuchte Fate, dorthin zu gelangen, aber jemand hielt ihn am Arm fest. Als er sich umdrehte, um zu sehen, wer ihn zurückgehalten hatte, war da niemand. Drüben in der Ecke der Diskothek versetzte der Mann, der die Frau geohrfeigt hatte, dem am Boden liegenden Körper einen Tritt in den Bauch. Wenige Meter daneben sah er Rosa Méndez glücklich lächeln. Bei ihr stand Corona, der mit gewohnt ernster Miene zur Seite schaute. Coronas Arm lag um ihre Schultern. Von Zeit zu Zeit führte Rosa seine

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