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was bei der Identifizierung von Vorteil war, gut erhalten gewesen, die Haut wie Pergament, als hätte die gelbe Wüstenerde von El Rosario eine Art Mumifizierung bewirkt.
Vier Tage, nachdem man die kleine Guadalupe Guzmán Prieto gefunden hatte, wurde an der Ostflanke des Cerro Estela die Leiche der ebenfalls elfjährigen Jazmín Torres Dorantes entdeckt. Todesursache war ein hypovolämischer Schock infolge der mehr als fünfzehn Messerstiche, die ihr der oder die Peiniger beigebracht hatte beziehungsweise hatten. Die Untersuchung von Vagina und Anus ergab, dass man sie mehrfach vergewaltigt hatte. Die Leiche war vollständig bekleidet: Khakifarbener Sweater, blaue Jeans und billige Turnschuhe. Das Mädchen lebte im Westteil der Stadt, in der Siedlung Morelos, und war vor zwanzig Tagen entführt worden, obwohl ihr Fall nie an die Öffentlichkeit kam. Die Polizei nahm acht Jugendliche aus der Siedlung Estrella, Mitglieder einer auf Autodiebstahl und kleinere Drogenschiebereien spezialisierten Bande, als Tatverdächtige fest. Drei der Jugendlichen kamen vor einen Jugendrichter, die anderen fünf landeten als Untersuchungshäftlinge im Gefängnis von Santa Teresa, obwohl keine stichhaltigen Beweise gegen sie vorlagen.
Zwei Tage, nachdem man die Leiche von Jazmín gefunden hatte, entdeckte eine Gruppe von Kindern auf einer Brachfläche westlich des Industrieparks General Sepúlveda den leblosen Körper von Carolina Fernandez Fuentes, neunzehn Jahre, Arbeiterin in der Maquiladora WS-Inc. Laut Befund des Gerichtsmediziners war sie seit nahezu zwei Wochen tot. Die Leiche war völlig nackt, allerdings fand man fünfzehn Meter weiter einen blauen BH, blutverschmiert, und in rund fünfzig Meter Entfernung eine schwarze Nylonstrumpfhose mittlerer Qualität. Die Person, die sich die Wohnung mit Carolina teilte und wie sie bei WS-Inc arbeitete, sagte auf Befragen, der BH gehöre ihrer lieben Freundin und Mitbewohnerin, die Strumpfhose dagegen mit Sicherheit nicht, denn sie trage nur Höschen und habe noch nie eine Strumpfhose angezogen, ein Kleidungsstück, das ihr eher zu einer Nutte als zu einer Fabrikarbeiterin zu passen schien. Die entsprechende Analyse erbrachte jedoch, dass sowohl Strumpfhose als auch BH Spuren von Blut aufwiesen, die in beiden Fällen von derselben Person, Carolina Fernandez Fuentes, stammten, weshalb gemunkelt wurde, diese Carolina habe ein Doppelleben geführt oder in der Nacht ihres Todes freiwillig an einer Orgie teilgenommen, denn es fanden sich auch Reste von Sperma in Vagina und Darm der Toten. Zwei Tage lang befragte man verschiedene Männer bei WS-Inc, die etwas mit ihrem Tod zu tun gehabt haben könnten, ohne Erfolg. Carolinas Eltern, die aus dem Dorf San Miguel de Horcasitas stammten, reisten nach Santa Teresa, machten aber keine Aussage. Sie forderten den Leichnam ihrer Tochter, unterschrieben die Papiere, die man ihnen vorlegte, und kehrten mit Carolinas sterblichen Resten im Bus nach Horcasitas zurück. Ursache ihres Todes waren fünf Stich- und Schnittwunden am Hals. Den Fachleuten zufolge war sie nicht am Fundort gestorben.
Drei Tage, nachdem man Carolinas Leiche gefunden hatte, wurde im Unheilmonat März 1997 auf einem steinigen Gelände an der Straße nach Pueblo Azul eine etwa sechzehn bis zwanzig Jahre alte Frau entdeckt. Die Leiche befand sich in einem Stadium fortgeschrittener Verwesung, weshalb man annahm, dass sie seit mindestens vierzehn Tagen tot sein musste. Die Leiche war völlig nackt, trug lediglich zwei Ohrhänger in Form kleiner Elefanten aus vergoldetem Messing. Etliche Familien von Verschwundenen durften sie sehen, aber kein Mensch erkannte in ihr seine Tochter, Schwester, Cousine oder Ehefrau wieder. Dem Gerichtsmediziner zufolge zeigte der Leichnam Verstümmelungen an der rechten Brust, die linke Brustwarze hatte man ihr abgerissen, vielleicht auch abgebissen oder mit einem Messer entfernt, der Verwesungszustand ließ hierüber keine genauere Aussage zu. Als offizielle Todesursache wurde ein Bruch des Zungenbeins angegeben.
In der letzten Märzwoche wurde rund vierhundert Meter von der Hauptstraße nach Cananea entfernt, sozusagen mitten in der Wüste, das Skelett einer weiteren Frau entdeckt. Seine Entdecker waren drei Studenten und ein Professor für nordamerikanische Geschichte der Universität von Los Angeles, die mit dem Motorrad den Norden Mexikos bereisten. Nach Angaben der US-Amerikaner hatten sie auf der Suche nach einem Yaqui-Dorf mit den Motorrädern einen
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