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Sohn und teilte sich die Wohnung mit zwei Kolleginnen, von denen eine zum Zeitpunkt der Ereignisse arbeitslos war, da sie versucht hatte, wie sie Juan de Dios erzählte, einen Betriebsrat zu gründen. Wie finden Sie das?, fragte sie ihn. Sie haben mich rausgeschmissen, weil ich meine Rechte wahrnehmen wollte. Der Kommissar zuckte die Schultern. Er fragte, wer sich um den Sohn von María Estela kümmern werde. Ich, sagte die frustrierte Gewerkschafterin. Gibt es keine Familie, hat der Kleine keine Großeltern? Ich glaube nicht, sagte die Frau, aber wir werden versuchen, das herauszufinden. Dem Gerichtsmediziner zufolge hatte ein Schlag mit einem harten Gegenstand ihren Tod verursacht, obgleich sie auch fünf gebrochene Rippen und oberflächliche Schnittverletzungen an den Armen aufwies. Sie war vergewaltigt worden. Und ihr Tod lag schon mindestens vier Tage zurück, als Drogenabhängige sie auf der Freifläche von Sur zwischen Abfällen und Gestrüpp fanden. Nach Aussage ihrer Kolleginnen war María Estela mit einem Freund zusammen oder zusammen gewesen, der den Spitznamen El Chino trug. Niemand kannte seinen richtigen Namen, aber sie wussten, wo er arbeitete. Juan de Dios fuhr daraufhin zu einem Farbengeschäft in der Siedlung Serafín Garabito. Dort fragte er nach El Chino, und man sagte ihm, jemand dieses Namens sei hier nicht bekannt. Er beschrieb den Mann, wie es zuvor die Kolleginnen von María Estela getan hatten, aber die Antwort blieb die gleiche: Niemand, auf den dieser Name und diese Beschreibung zuträfen, habe je bei ihnen gearbeitet. Er setzte seine Spitzel auf ihn an, und einige Tage lang beschäftigte er sich ausschließlich mit der Suche nach ihm. Aber es war wie die Suche nach einem Phantom.
Herr Albert Kessler ist ein Fachmann von anerkanntem Ruf, sagte Professor García Correa. Soviel ich weiß, war Herr Kessler einer der Pioniere bei der Erstellung psychologischer Persönlichkeitsprofile von Serienmördern. Ich habe gehört, dass er für das FBI gearbeitet hat und vorher für die US-amerikanische Militärpolizei oder die Intelligence Agency des US-Militärs, was einem Oxymoron gleichkomme, da die Worte Intelligenz und Militär selten miteinander vereinbar seien, sagte Professor García Correa. Nein, nein, ich fühle mich weder beleidigt noch übergangen durch die Tatsache, dass man nicht mich für diesen Auftrag verpflichtet hat. Die zuständigen Stellen des Staates Sonora kennen mich gut und wissen, dass meine einzige Göttin die Wahrheit ist, sagte Professor García Correa. Wir in Mexiko lassen uns immer so furchtbar leicht blenden. Mir stellen sich die Haare auf, wenn ich gewisse Adjektive sehe, höre oder in der Presse lese, Lobeshymnen wie aus den Kehlen eines Stamms wildgewordener Affen, aber was soll's, so sind wir eben, und mit den Jahren findet man sich damit ab, sagte Professor García Correa. In Mexiko Kriminologe zu sein, das ist, als wäre man Kryptograph am Nordpol. Oder ein kleiner Junge in einem Schlafsaal mit lauter Päderasten. Oder Marktschreier in einem Land von Taubstummen. Oder ein Kondom im Reich der Amazonen, sagte Professor García Correa. Wenn sie dich schikanieren, findest du dich damit ab. Wenn sie dich schief angucken, findest du dich damit ab. Wenn deine Ersparnisse den Bach runtergehen, die Ersparnisse deines ganzen Lebens, die du dir für den Lebensabend zurückgelegt hattest, findest du dich damit ab. Wenn dein Sohn dich betrügt, findest du dich damit ab. Wenn du weiterarbeiten musst, obwohl du dich von Rechts wegen den Dingen widmen solltest, die dir wirklich Spaß machen, findest du dich damit ab. Wenn sie dir obendrein das Gehalt kürzen, findest du dich damit ab. Wenn du zur Aufbesserung deines Gehalts für schmierige Anwälte und korrupte Polizeiermittler arbeiten musst, findest du dich damit ab. Aber davon schreibt besser nichts in euren Artikeln, Jungs, sonst riskiere ich meinen Job, sagte Professor García Correa. Herr Albert Kessler ist, wie ich schon sagte, ein Ermittler von anerkanntem Ruf. Soweit ich gehört habe, arbeitet er mit Computern. Interessante Arbeit. Er ist auch als Berater oder Sachverständiger an einigen Actionfilmen beteiligt. Ich habe noch keinen gesehen, weil ich schon seit langem nicht mehr ins Kino gehe und der Hollywoodmüll mich maßlos langweilt. Aber mein Enkel sagt, es sind lustige Filme, in denen immer die Guten gewinnen, sagte Professor García Correa.
Den Namen, sagte der Journalist. Antonio Uribe, sagte Haas. Einen Moment
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