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2666

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Titel: 2666 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Bolaño
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als die Engländer und nur etwas kleinere Schweine als die Waliser. Die Franzosen sind genauso große Schweine wie die Schotten. Die Italiener sind Ferkel. Ferkel, die nichts dabei finden, ihr eigenes Mutterschwein zu fressen. Für die Österreicher gilt das Gleiche: Schweine, Schweine, Schweine. Trau nie einem Ungarn. Trau nie einem Böhmen. Sie lecken dir die Hand und kauen dir dabei den kleinen Finger ab. Trau nie einem Juden: Der verschlingt deinen Daumen und sabbert dir außerdem die Hand voll. Die Bayern sind auch Schweine. Wenn du mit einem Bayern sprichst, halt den Gürtel fest verschlossen. Mit den Rheinländern sprich am besten gar nicht: Eher als der Hahn kräht, wollen sie dir ein Bein abschneiden. Die Polen sehen aus wie Hühner, aber reißt du ihnen vier Federn aus, kommt darunter eine Schweinshaut zum Vorschein. Das Gleiche gilt für die Russen. Sie sehen aus wie verhungerte Hunde, dabei sind sie in Wirklichkeit verhungerte Schweine, die anstandslos jeden fressen, ohne zweimal nachzufragen, ohne Gewissensbisse. Die Serben sind wie die Russen, nur in klein. Sie sind sozusagen als Chihuahuas verkleidete Schweine. Chihuahuas sind Zwerghunde, so groß wie Spatzen, die im Norden von Mexiko leben und in einigen amerikanischen Filmen vorkommen. Die Amerikaner sind natürlich Schweine. Und die Kanadier große, unbarmherzige Schweine, obwohl die schlimmsten Schweine in Kanada die Frankokanadier sind, so wie die schlimmsten Schweine in Amerika die irischen Schweine sind. Die Türken machen keine Ausnahme. Sie sind sodomitische Schweine, wie die Sachsen und die Westfalen. Was die Griechen angeht, kann ich nur sagen, sie sind wie die Türken: Haarige, sodomitische Schweine. Nur die Preußen bilden eine Ausnahme. Aber Preußen existiert nicht mehr. Wo ist Preußen? Siehst du es? Ich sehe es nicht. Manchmal kommt es mir so vor, als seien die alle im Krieg gefallen. Dann wieder kommt es mir so vor, als seien die Preußen, während ich im Lazarett lag, in diesem dreckigen Lazarett, alle ausgewandert, in weite Ferne. Manchmal stell ich mich an die Klippen und schau aufs Baltische Meer und versuch zu erraten, wohin die preußischen Schiffe gefahren sind. Nach Schweden? Nach Norwegen? Nach Finnland? Unmöglich: Das sind Schweineländer. Also wohin? Nach Island, nach Grönland? Ich versuch es zu erraten, aber vergeblich. Wo sind denn nun die Preußen? Ich tret an den Rand der Klippen und such sie am grauen Horizont. Ein Grau, wie Eiter so trüb. Nicht nur einmal im Jahr. Einmal im Monat! Einmal alle vierzehn Tage! Aber nie seh ich sie, nie errat ich, welchen Punkt am Horizont sie angesteuert haben könnten. Ich seh nur dich, deinen Kopf in den Wellen, der auf- und abtaucht, und dann such ich mir einen Stein und bleib lange sitzen und schau dir zu, selbst auch zu Stein geworden, und obwohl ich dich manchmal aus den Augen verlier oder dein Kopf weit weg von der Stelle auftaucht, wo du untergetaucht warst, hab ich keine Angst um dich, weiß, dass du wieder hochkommst, dass die See dir nichts anhaben kann. Manchmal schlaf ich sogar im Sitzen ein, und wenn ich aufwach, ist mir so kalt, dass ich nicht einmal einen Blick aufs Meer werf, um festzustellen, ob du noch darin bist. Was mach ich dann? Na, ich steh auf und geh zähneklappernd ins Dorf zurück. Und wenn ich die ersten Häuser erreich, beginn ich zu singen, um die Leute zu der falschen Annahme zu verleiten, ich sei in Krebs' Kneipe gewesen, um mich zu betrinken.«
    Auch der junge Hans Reiter lief gern herum, wie ein Taucher, aber er sang nicht gern, weil Taucher nämlich nie singen. Manchmal verließ er sein Dorf in östlicher Richtung, auf einem Weg mit Wäldern rechts und links, und kam in das Dorf der Roten Männer, die vom Torfverkauf lebten. Ging er weiter Richtung Osten, gelangte er zum Dorf der Blauen Frauen, das von einem See umgeben war, der im Sommer trockenfiel. Beide Dörfer kamen ihm vor wie Geisterdörfer, in denen Tote wohnten. Jenseits des Dorfs der Blauen Frauen lag das Dorf der Dicken. Dort roch es schlecht, nach Blut und verwestem Fleisch, ein schwerer, penetranter Geruch, der sich stark von dem seines Dorfes unterschied, wo es nach schmutziger Wäsche roch, nach Schweiß auf der Haut, nach uringetränkter Erde, ein dünner Geruch, ähnlich dem von Chorda filum.
    Im Dorf der Dicken gab es, wie nicht anders zu erwarten, viele Tiere und etliche Metzgereien. Wenn er sich auf den Heimweg machte, wie ein Taucher auf dem Trockenen, sah er manchmal einzelne

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