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spielt man nicht! Daraufhin trollte sich der Sommersprossige, und die Nacht brach herein, und seinem Vater war so, als würde ihn jemand anstarren.
Im Bett neben ihm lag eine Mumie. Sie hatte schwarze Augen wie zwei tiefe Brunnen.
»Willst du rauchen?«, fragte er. Die Mumie antwortete nicht.
»Rauchen tut gut«, sagte er, zündete eine Zigarette an und suchte zwischen den Binden nach dem Mund der Mumie.
Die Mumie zuckte zusammen. Vielleicht raucht er nicht, dachte er und zog die Zigarette zurück. Der Mond beleuchtete die Spitze der Zigarette, an der eine Art weißer Schimmel klebte. Dann schob er sie ihm wieder zwischen die Lippen, während er gleichzeitig zu ihm sagte: Rauch, rauch, vergiss mal alles. Die Augen der Mumie blieben auf ihn geheftet, vielleicht, dachte er, ist er ein Bataillonskamerad, der mich wiedererkannt hat. Nur warum sagt er nichts? Vielleicht kann er nicht sprechen, dachte er. Auf einmal begann Rauch zwischen den Binden hervorzuquellen. Er kocht, dachte er, er kocht, er kocht.
Der Rauch quoll der Mumie aus den Ohren, aus der Kehle, aus der Stirn, aus den Augen, die nicht einmal so aufhörten ihn anzustarren, bis er pustete und ihm die Zigarette aus den Lippen zog und immer weiter auf den verbundenen Kopf pustete, bis sich der Rauch ganz verzogen hatte. Dann drückte er die Zigarette am Boden aus und schlief ein.
Als er aufwachte, war die Mumie neben ihm nicht mehr da. Wo ist die Mumie?, fragte er. Ist heut Morgen gestorben, sagte jemand vom Bett aus. Da zündete er sich eine Zigarette an und wartete auf das Frühstück. Nach seiner Entlassung humpelte er nach Düren. Dort stieg er in den Zug, der ihn in einer anderen Stadt absetzte.
In dieser Stadt wartete er vierundzwanzig Stunden am Bahnhof und aß die Heeressuppe. Verteilt wurde sie von einem Unteroffizier, einbeinig wie er selbst. Sie unterhielten sich eine Weile, während der Unteroffizier mit einer Kelle die Aluminiumteller der Soldaten füllte und er, neben ihm auf einer Holzbank, einer Art Werkbank sitzend, seine Suppe schlürfte. Der Unteroffizier war der Meinung, dass eine Wende unmittelbar bevorstand. Der Krieg gelange an sein Ende, und eine neue Zeit werde beginnen. Er erwiderte mit vollem Mund, dass sich nichts jemals ändern werde. Nicht einmal sie, die sie jeder ein Bein verloren hatten, hätten sich geändert.
Jedes Mal, wenn er ihm antwortete, lachte der Unteroffizier. Wenn der Unteroffizier weiß sagte, sagte er schwarz. Wenn der Unteroffizier Tag sagte, sagte er Nacht. Und wenn er seine Antworten hörte, lachte der Unteroffizier und fragte, ob Salz an der Suppe fehle, ob sie sehr fad schmecke. Irgendwann war er es leid, länger auf einen Zug zu warten, der, schien ihm, nie mehr kam, und setzte seinen Weg zu Fuß fort.
Drei Wochen irrte er über Land, aß hartes Brot, stahl auf Bauernhöfen Obst und Geflügel. Während er noch unterwegs war, kapitulierte Deutschland. Als er davon erfuhr, sagte er: Umso besser. Eines Nachmittags kam er in sein Dorf und klopfte an der Tür. Seine Mutter öffnete, und als er so zerlumpt vor ihr stand, erkannte sie ihn erst nicht. Dann wurde er umarmt und bekam zu essen. Er fragte, ob die Einäugige geheiratet habe. Nein, hieß es. Am selben Abend ging er zu ihr, ohne zu baden oder sich umzuziehen, trotz der Bitten seiner Mutter, sich wenigstens zu rasieren. Als die Einäugige ihn vor ihrer Haustür stehen sah, erkannte sie ihn sofort. Auch der Einbeinige sah sie, wie sie aus dem Fenster schaute, und hob die Hand zu einem förmlichen, vielleicht sogar ein wenig steifen Gruß, den man aber auch als eine Geste deuten konnte, die so viel besagte wie: So spielt das Leben. Fortan versicherte er jedem, der es hören wollte, in seinem Dorf hätten sie alle keine Augen im Kopf, und die Einäugige sei eine Königin.
1920 kam Hans Reiter zur Welt. Er sah nicht aus wie ein Säugling, sondern wie eine Alge. Canetti und ich glaube auch Borges, zwei grundverschiedene Menschen, sagten, so wie das Meer Symbol oder Spiegel der Engländer, so sei der Wald die Metapher, in der die Deutschen lebten. Von dieser Regel bildete Hans Reiter von Geburt an eine Ausnahme. Er mochte das Land nicht und noch weniger die Wälder. Er mochte auch das Meer nicht, oder das, was Normalsterbliche Meer nennen und was in Wirklichkeit nur die Meeresoberfläche ist, die vom Wind aufgewühlten Wellen, die nach und nach zum Sinnbild für Scheitern und Wahnsinn wurden. Was er mochte, war der Meeresgrund, dieses andere Land, mit
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