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2666

2666

Titel: 2666 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Bolaño
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Daraufhin stellt ihnen ein sehr dünnes, hoch aufgeschossenes Wesen, das eher einer Alge als einem Menschen ähnelt, eine Reihe von Fragen, etwa: Wie wurden die Sterne geschaffen? Wo endet das Universum? Wo beginnt es? Selbstverständlich weiß darauf keiner eine Antwort. Einer sagt, Gott habe die Sterne geschaffen, und das Universum beginne und ende, wo Gott es wolle. Diesen wirft man ins All. Alle anderen werden in Schlaf versetzt. Als er erwacht, findet sich der vierzehnjährige Junge in einem ärmlichen Zimmer wieder, mit einem ärmlichen Bett und einem ärmlichen Schrank, in dem seine ärmlichen Kleider hängen. Als er aus dem Fenster schaut, blickt er hellauf begeistert in das urbane Treiben von New York. Die Abenteuer des Jungen in der Großstadt stehen jedoch unter keinem guten Stern. Er lernt einen Jazzmusiker kennen, der ihm von sprechenden und wahrscheinlich denkenden Hühnern erzählt.
    »Das Schlimmste ist«, sagt der Musiker, »dass die Regierungen des Planeten davon wissen und es deswegen so viele Hühnerzuchten gibt.«
    Der Junge wendet ein, die Hühner würden gezüchtet, damit Menschen sie essen. Der Musiker antwortet, das sei es, was die Hühner wollten. Und schließt mit den Worten: »Diese masochistischen Hurenhühner! Bei den Eiern haben sie unsere Politiker!«
    Er lernt auch ein Mädchen kennen, die als Hypnotiseurin in einer Show arbeitet und in die er sich verliebt. Das Mädchen ist zehn Jahre älter als er, also vierundzwanzig, und will sich in niemanden verlieben, obgleich sie mehrere Liebhaber hat, darunter den Jungen, weil sie glaubt, die Liebe würde ihre hypnotischen Fähigkeiten schmälern. Eines Tages ist das Mädchen verschwunden, und nachdem der Junge vergeblich nach ihr gesucht hat, beschließt er, einen mexikanischen Detektiv anzuheuern, der Soldat bei Pancho Villa gewesen ist. Der Detektiv hat eine seltsame Theorie: Er glaubt an die Existenz vieler Welten in parallelen Universen. Welten, in die man mittels Hypnose gelangen kann. Der Junge glaubt, dass der Detektiv ihn um sein Geld betrügen will, und beschließt, ihn bei seinen Ermittlungen zu begleiten. Eines Nachts begegnen sie in einer Seitenstraße einem herumschreienden russischen Bettler. Der Bettler schreit auf Russisch, und der Einzige, der ihn versteht, ist der Junge. Der Bettler sagt: Ich war Soldat bei Wrangel, etwas Respekt, bitte schön, ich habe auf der Krim gekämpft, und ein britisches Schiff in Sewastopol hat mich rausgeholt. Daraufhin fragt der Junge, ob er in jener Schlacht gewesen sei, wo man ihn schwer verwundet hat. Der Bettler sieht ihn an und sagt ja. Ich auch, sagt der Junge. Das kann nicht sein, erwidert der Bettler, das ist zwanzig Jahre her, da warst du noch gar nicht geboren.
    Dann fahren der Junge und der mexikanische Detektiv auf der Suche nach der Hypnotiseurin nach Westen. In Kansas City finden sie sie. Der Junge bittet sie, ihn zu hypnotisieren und zurück auf das Schlachtfeld zu schicken, wo er umgekommen sein müsse, oder seine Liebe anzunehmen und nicht länger zu fliehen. Die Hypnotiseurin erwidert, sie könne weder das eine noch das andere tun. Der mexikanische Detektiv interessiert sich für die Kunst der Hypnose. Während der Detektiv der Hypnotiseurin eine Geschichte zu erzählen beginnt, verlässt der Junge die Raststätte und läuft hinaus in die Nacht. Nach einer Weile hört er auf zu weinen.
    Er läuft stundenlang. Als er sich bereits weit von allem entfernt hat, sieht er eine Gestalt am Straßenrand. Es ist der algenförmige Außerirdische. Sie begrüßen einander. Unterhalten sich. Die Unterhaltung ist oft unverständlich. Es geht um verschiedene Themen: fremde Sprachen, nationale Denkmäler, die letzten Tage von Karl Marx, die Solidarität der Arbeiterklasse, die Zeit des Umbruchs nach irdischer und nach interstellarer Zeitrechnung gemessen, die Entdeckung Amerikas als Theaterinszenierung, ein abgrundtiefes Loch - wie von Doré gemalt - aus Masken. Dann folgt der Junge dem Außerirdischen, der die Straße verlässt, und gemeinsam gehen sie durch ein Weizenfeld, überqueren ein Flüsschen und einen Hügel und ein weiteres bestelltes Feld, bis sie zu einer dampfenden Pferdeweide kommen.
    Das folgende Kapitel zeigt den Jungen, jetzt als jungen Mann von fünfundzwanzig Jahren, bei der Arbeit in einer Moskauer Zeitung, in der er zum Star-Reporter aufgestiegen ist. Er bekommt den Auftrag, an unbekanntem Ort in China einen Kommunistenführer zu interviewen. Die Reise, teilt man ihm mit,

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