27 - Im Lande des Mahdi I
würdest?“
„Ja, leider muß ich das zugeben.“
„Richtig, sehr richtig. Sage das meinem Herrn, wenn er hier angekommen ist! Dieses dein Zeugnis wird ihm aufs neue beweisen, daß ich ein Mann bin, der durch keinen andern zu ersetzen ist. Aber reite doch schneller, schneller! Ich lasse dich nicht fallen. Ich greife sofort zu, wenn du das Gleichgewicht verlierst.“
Um ihn noch mehr in seiner Meinung zu bestärken, nahm ich die allerdümmste Haltung an, rutschte bald herüber, bald hinüber und gab mir den Anschein, als ob es meinerseits der größten Anstrengung bedürfe, mich oben zu halten. Er erging sich in allerhand Ausrufungen, welche mir im stillen herzlichen Spaß bereiteten, und schimpfte fort und fort darüber, daß wir weiter und immer weiter zurückblieben. Die andern hatten allerdings einen bedeutenden Vorsprung, der von Sekunde zu Sekunde größer wurde. Nur der dicke Haushofmeister kam nicht mit den andern fort; er befand sich zwischen ihnen und uns. Ich hatte schon manchen unfertigen Reiter gesehen, so eine Figur aber wie die, die er bildete, noch nicht. Zunächst ritt er sehr schlecht, und sodann paßte seine unförmige Gestalt nicht in einen Pferdesattel. Seiner Schwere wegen hatte er sich einen äußerst gewichtigen Gaul ausgesucht, dessen Bemühung, mit den andern Pferden Schritt zu halten, zum Lachen reizte. Auf dem Rücken dieses Tieres saß das schwarze Monstrum mit weitgespreizten Beinen und zusammengezogenem Oberkörper. Der Gaul ‚schuckerte‘ gewaltig, was dem Reiter eine Bewegung gab, welche der reitgewandte Gaucho Südamerikas ‚el mohnillarse a la silla‘, das Sich-Quirlen im Sattel nennt. Er machte die größte Anstrengung, fest zu sitzen, und sein Pferd gab sich alle Mühe, schnell fortzukommen, doch vergeblich. Es war wirklich zum Lachen.
Der Stallmeister war uns nun mit den Reitknechten so weit voraus, daß er sich zum Anhalten gezwungen sah, um auf uns zu warten. Der Dicke langte kurz vor uns bei ihm an. Er stöhnte, und sein Pferd keuchte, als ob sie stundenlang im Galopp über die Wüste gerast seien.
„Was ist denn das, Effendi?“ fragte der Stallmeister erstaunt. „Du bleibst zurück!“
„Er kann nicht reiten“, antwortete Selim an meiner Stelle.
„O, er kann es gar wohl. Wir haben es gesehen, als er gestern den Rotschimmel zum Gehorsam zwang.“
„Das war eine Folge der Datteln, welche er ihm gab. Ja, kirre machen kann er ein Pferd; das versteht er wohl; aber reiten, nein, das kann er nicht. Hätte ich ihn nicht in meinen Schutz genommen, so hätte er zehnmal Hals und Beine gebrochen. Es ist ein Elend, an seiner Seite bleiben zu müssen!“
„Das ist sehr richtig“, fiel ich ein. „Es ist ein Elend, bei mir aushalten zu sollen, und du bringst es darum nicht fertig.“
„Was sagst du!“ rief er aus. „Habe ich etwa nicht bei dir ausgehalten? Oder bist du mir zuliebe zurückgeblieben, so tue mir nun doch auch den Gefallen, mir zuliebe schneller zu reiten!“
„Du würdest mir nicht nachkommen.“
„O Allah! Es hat noch niemals einen Reiter gegeben, den ich nicht überholt hätte. Wollen wir wetten?“
„Ja. Um was?“
„Du hast Goldstücke aus England; ich habe es gesehen. Man nennt sie Pfund, und sie sind über hundert Piaster wert. Willst du ein solches Goldstück gegen mich setzen?“
Er sah mich gespannt an. Es lag ihm daran, daß ich ja sagte, denn er zweifelte nicht im mindesten daran, daß ich die Wette verlieren würde.
„Hast du denn auch solche Goldstücke?“ erkundigte ich mich.
„Nein; aber ich habe genug Piaster, um das gleiche setzen zu können. Machst du mit?“
„Ja. Heraus mit dem Geld! Hundert Piaster gegen ein englisches Pfund. Wir geben es dem Stallmeister, und wer dann siegt, bekommt es von ihm. Ist dir das recht?“
„Recht, sehr recht!“ stimmte er schmunzelnd ein. „Schon in wenigen Augenblicken wird der Glanz deines Goldes in meiner Tasche sein. Ich bin der Schnelle, der Unbesiegbare; mich holt niemand ein, und du am allerwenigsten.“
Der Stallmeister bekam das Geld, und dann begann der Ritt. Zunächst hielt ich meinen Rotschimmel so zurück, daß Selim eine Strecke weit sich mir zur Seite halten konnte.
„Siehst du, daß ich gewinnen werde?“ fragte er triumphierend.
„So sollst du gleich auch das Gegenteil zu sehen bekommen. Lebe wohl, Selim! In zwei Minuten siehst du gar nichts mehr, nämlich von mir.“
Jetzt ließ ich dem Hengst die Zügel schießen. Darauf hatte dieser mit Begierde gewartet.
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