27 - Im Lande des Mahdi I
Er wieherte laut auf, ging vor Freude mit allen vieren in die Luft und flog dann davon, so daß es einem nicht ganz guten Reiter sicher schwindelig geworden wäre. Ich hütete mich, die Sporen in Anwendung zu bringen; ein so edles Tier nimmt das übel. Ich rief dem Pferd aufmunternde Worte zu, und es verstand mich vortrefflich. Meine Gefährten kamen mir schreiend nachgesprengt; ihre Stimmen wurden schnell schwächer, denn die Wüste schien förmlich unter den Hufen meines Rotschimmels zu verschwinden. Als ich mich nach ungefähr einer Minute umschaute, sah ich die Reiter in der Größe von Kindern, welche auf Schaukelpferden sitzen, hinter mir. Nach einer zweiten Minute erblickte ich sie nur noch als kleine Punkte; dann verschwanden sie. Nun hätte ich anhalten sollen; das fiel mir aber gar nicht ein. Ich wollte die Freude, ein solches Pferd reiten zu dürfen, auskosten und jagte weiter. Das Tier freute sich ebenso sehr wie ich. Es wieherte von Zeit zu Zeit hell auf vor Lust, und wenn ich ihm dann den Hals streichelte, ließ es einen tiefen Brustton hören, den man nicht beschreiben kann, den ich aber kannte. Es ist ein Laut des Entzückens.
So ging es wohl drei Viertelstunden in gerader Richtung in die Wüste hinein, welche vor mir immer neu auftauchte und hinter mir wieder verschwand; dann schlug ich nach rechts einen weiten, weiten Bogen. Es stand zu erwarten, daß die andern meiner Fährte folgen würden, und ich wollte sie äffen. Nach einer weitern halben Stunde war aus dem Bogen ein Kreis geworden, welcher mich auf meine eigene Spur zurückbrachte. Meine Gefährten waren schon vorüber, ich sah es an den Hufspuren und ritt ihnen nach. Bald sah ich sie vor mir, während sie glaubten, sich weit, weit hinter mir zu befinden. Je mehr ich mich ihnen näherte, desto deutlicher sah ich, daß sie bemüht waren, die größte Schnelligkeit zu entwickeln. Dennoch blieben sie beisammen, denn die besseren Reiter hielten ihre Pferde zurück, um nicht den andern voraus zu kommen. Da sie ihre ganze Aufmerksamkeit nach vorn gerichtet hatten, so gewahrten sie mich auch nicht eher, als bis ich ihnen auf zwanzig Pferdelängen nahe gekommen war und nun laut rief:
„Wo wollt ihr denn hin?“
Sie hörten meine Stimme, drehten sich um und waren nicht wenig erstaunt, mich hinter sich zu sehen. Noch ehe sie ihre Pferde zum Stehen gebracht hatten, befand ich mich mitten unter ihnen. Der dicke Haushofmeister schwitzte wie eine Fensterscheibe im Winter und stöhnte wie eine Dampfmaschine.
„Wo kommst du her, Effendi?“ fragte er mich, indem er ein so dummes Gesicht zeigte, daß ich lachen mußte.
„Von da her“, antwortete ich, indem ich nach rückwärts zeigte. „Ich mache es wie die Sonne: ich gehe im Westen unter und im Osten wieder auf.“
„Wer soll das begreifen! Wir wären fortgeritten, um dich einzuholen, immer weiter und weiter, bis ans Ende der Welt.“
„So weit nun wohl nicht. Ihr seid meiner Fährte gefolgt und diese würde euch in einem Kreis zurückgeführt haben. Daraus magst du ersehen, welch ein herrlicher Renner dieser echte Bakarra-Hengst ist. Der Stallmeister ist sehr unvorsichtig gewesen.“
„Das soll eine Unvorsichtigkeit sein? – Im Gegenteil! Dadurch, daß du ihn zureitest, machst du ihn gutwillig, auch mich und seinen Herrn, den Pascha, zu tragen.“
„Ganz recht. Aber wie nun, wenn ich ihn gestohlen hätte?“
„Gestohlen!“ rief er aus, indem er vor Schreck erbleichte. Es kam ihm erst jetzt die Erkenntnis dessen, was hätte geschehen können, wenn ich nicht ein ehrlicher Mann gewesen wäre.
„Ja, gestohlen. Nimm einmal an, ich wäre nicht wiedergekommen. Was hättest du da getan? Hättest du mich etwa einzuholen vermocht?“
„Nein, nein. Allah, Allah! In welcher Gefahr bin ich gewesen!“
„Du warst in gar keiner Gefahr, denn ich bin kein Dieb. Aber dieser Hengst ist hunderttausend Piaster wert, und das könnte unter Umständen für einen sonst ganz ehrlichen Mann eine Versuchung sein.“
„Du hast recht, ja, du hast recht, Effendi! O Allah! O ihr heiligen Kalifen, was wäre aus mir geworden, wenn du das Pferd gestohlen hättest? Ich wäre nicht imstande gewesen, es zu ersetzen, und der Pascha, dessen Leben ewig leuchten möge, hätte mich totpeitschen lassen. Ich bleibe neben dir.“
„Das würdest du nicht fertigbringen, wenn ich mich für dein Mißtrauen rächen wollte. Aber wie steht es denn mit unserer Wette? Du hast das Geld erhalten. Wer hat es
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