2725 - Preis der Gerechtigkeit
es entstehen aktuell noch einige Prachtfassaden und Hightech-Skylines.«
»Selbstverständlich«, sagte Schechter.
Der Chefmediker drehte sich um, nestelte an den frei im Raum schwebenden künstlich gezüchteten Armen, schloss ein winziges Kabel an eines der bloß liegenden Nervenenden an.
Das andere Ende führte er zu Schechter, und im nächsten Augenblick spürte der Tomopat eine Berührung in der Achselhöhle, ein scharfer Schmerz folgte, der wie flüssiges Feuer durch seinen Brustkorb rann und über den Hals bis in sein Gehirn jagte. Die Hand am schwebenden Arm zuckte.
»Am grundsätzlichen Plan hat sich nichts geändert«, sagte Caus-Iver. »Wir werden dich auf eine der Plattformen einschleusen und ...«
Ein Alarmsignal unterbrach ihn. Der Piepton schwoll rasch an, sirrte in schneller Folge durch den Raum. Der künstliche Arm zuckte stärker als zuvor, die Finger spreizten sich, der ganze Arm tanzte einen bizarren Reigen in den Grenzen des Fesselfelds. Das verbindende Kabel glühte leicht.
»Ich muss die Verbindung trennen«, sagte der Mediker aufgeregt. »Die Nervenverbindung ist überlastet, es kommen ...«
»Warte!«, befahl Schechter und konzentrierte sich. Er befahl dem Arm, diesem neuen Glied seines Körpers, sich nicht mehr zu bewegen. Wie er es tat, wusste er nicht – es geschah instinktiv.
Der Arm beruhigte sich. Schechter ballte die Hand ... seine Hand zur Faust, und es geschah, etwa einen Meter von seinem Körper entfernt.
Das Alarmsignal erlosch.
Caus-Iver starrte ihn überrascht an. »Du hast einen starken Willen«, sagte er.
»Ich bin ein Tomopat«, sagte Schechter, als würde das alles erklären.
Und das tat es auch.
30. September 1514 NGZ
Tamaron Vetris lief. Er kam viel zu selten dazu, aber wenn, versank die Welt.
Sein persönlicher Trainingsraum war winzig, aber er suggerierte ewige Weite. Die Hololandschaften rundum unterschieden sich in nichts von echter Natur – mit dem einen Vorteil, dass Vetris diese Natur frei wählen konnte.
Mit jedem Schritt veränderte sich sein Blickwinkel auf die schroffe Berglandschaft um ihn herum, und nach nur vier oder fünf Schritten hätte er gegen eine Wand prallen müssen, aber der Boden passte sich als Laufband ebenso perfekt seinen Bewegungen an wie die optischen Projektionen.
Er rannte seit zwei Stunden, in stetem, gleichmäßigem Tempo. Anfangs an der Küste entlang; der Wind hatte ihn erfrischt, und er schmeckte noch immer das Salz auf den Lippen, was während seines anschließenden Wüstenmarsches unangenehm gewesen war.
Doch Unannehmlichkeiten gehörten dazu.
So, wie auch der Berggipfelweg nicht leicht zu begehen war, vor allem nicht in diesem Tempo. Ein Fehltritt, und er würde stürzen. Nur, dass sich die daran anschließenden Unannehmlichkeiten in Grenzen hielten – und Vetris stürzte nie. Denn er war der Tamaron. Er war Vetris-Molaud!
Der Servo meldete sich: »Entschuldige die Störung, Hoher Tamrat.«
Lass die schmeichlerische Höflichkeit! Er musste dringend eine Umprogrammierung vornehmen lassen.
»Wer?«, fragte er nur. Es gab wenige, die ihn in seinem Trainingsraum stören durften. Oc Shozdor besaß die Genehmigung und seine Partnerinnen. Ansonsten hob nur ein Notfall mindestens der Stufe vier die Privatsphäre-Blockade auf.
»Zouza Pesh und Vemia Dhao wünschen dich zu sprechen.«
»Lass sie in zwei Minuten ein!«, befahl er der Positronik und rannte weiter. Nein, er stürzte nie, aber er gab sich gern kontrollierten Illusionen hin. Also trat er absichtlich fehl, knickte und fiel vom Weg in die über tausend Meter tiefe Klamm des programmierten Trogamm-Hochgebirges.
Die Simulation war perfekt: die Kälte, die engen Wände, der Wasserfall, der etwas langsamer in die Tiefe stürzte als Vetris selbst. Eine atemberaubende Optik, der erhebende letzte Moment im Leben, das Gefühl zu fliegen. Die Simulation war rundum stimmig – obwohl Vetris längst auf dem Boden lag, merkte er nichts davon und fühlte nur den freien Fall, sah den näher kommenden Boden, den wartenden, lauernden Tod.
Doch diesen Tod gab es für ihn nicht mehr.
Weder in der Illusion, die im letzten Moment erlosch, noch im echten Leben. Der Zellaktivator wartete auf ihn. Die Ewigkeit, in der er die Tefroder führen würde.
Noch schien sich alles um ihn zu bewegen. Es fiel ihm schwer, sich unter Kontrolle zu bekommen. Dann stand er auf.
Ein Eingang formte sich, Zouza und Vemia traten ein.
»Wo habt ihr Amyon gelassen?«, fragte Vetris gut
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