2728 – Die Gravo-Architekten
Werft der Beer & Mädler-Universität«, sagte Kemeny. »Dort sollten wir beste Gegebenheiten vorfinden, und NATHAN ist in der Nähe.«
Pris Gesicht verriet nicht, was sie dachte, doch ihr innerlich brodelnder Zorn traf Shanda wie ein Schlag. In der Beer & Mädler-Universität saß der Widerstand. Zwar war die Werft außerhalb, doch Kemeny hatte die Aufmerksamkeit der Onryonen gerade gefährlich nah an die derzeitige Keimzelle und Zentrale von Pris Leuten gelenkt.
»Einverstanden«, sagte Hannacoy. »Wir werden sofort Wissenschaftler dorthin schicken. Ich werde selbst nachkommen, damit deutlich wird, wie wichtig eine reibungslose Zusammenarbeit ist. Ich würde mich freuen, wenn auch du, Pri Sipiera, vor Ort wärst. Die Telepathin ist ebenfalls willkommen.« Er sah Shanda an. »Mir liegt nichts an Zwischenfällen. Falls jemand Schwierigkeiten machen sollte, melde es mir rechtzeitig.«
Schwierigkeiten machen. Eine nette Umschreibung dafür, dass theoretisch jeder – sowohl ein Lunarer als auch ein Onryone – ein Attentat verüben konnte. Von Auseinandersetzungen wie denen zwischen Bonthonner Khelay und Raphal Shilo ganz abgesehen.
Shanda fühlte von Hannacoy eine unerschütterliche Aufrichtigkeit ausgehen. »Danke, Ryotar, für dein Vertrauen. Ich werde dort sein.«
Mit dem Gammablitz hob einen Handtrichter. Die Münder zwischen den Fingern öffneten und schlossen sich, doch wie schon zuvor kam seine Stimme aus dem Amulett auf der Brust. »Ich folge an die Wiege. Auch die Haube des toten Chors kann schützen.«
Khelay und Hannacoy sahen erst sich an, dann – wie auf ein geheimes Zeichen hin – Kemeny.
Kemeny lächelte dünn. »Die Wiege der Ideen vermutlich. Er will mitkommen. Was er mit Haube meint ... vielleicht das Geflecht. Eine Sonde, die sowohl diesem Zeug als auch von einem starken Schutzschirm aus lunarer Technik und einer Art Mini-Repulsorwall umgeben ist, hat vielleicht eine Chance, Daten zu nehmen und dem Desasterfeld mit einem Sprung zu entkommen.«
Shanda fühlte die aufkeimende Hoffnung im Raum, dünn wie eine Eisschicht über einem See bei erstem Frost. Selbst wenn es gelang, die Sonde zu schicken – das konnte erst der Anfang sein. Luna änderte den Kurs deswegen nicht.
4.
Gefangen im Geviert
Pri sah zu, wie Toufec, Shanda und Kemeny – begleitet von dem rollenden Inklusorium – den langen Gang hinuntergingen. Sie selbst nahm einen anderen Weg, tiefer in die architektonische Struktur der Hohlkugel hinein, zum transparenten Übergang, der zur inneren Kugel führte. Dort arbeitete und wohnte ihr Vater Antonin Sipiera.
Errest Coin und Raphal Shilo flankierten sie.
Raphal blickte misstrauisch voraus. »Wohin willst du, Pri?«
»Ich will mit ihm reden.«
In ihrem Rücken erklang das Klacken hoher Absätze. »Was tut ihr da?«
Jena Tirig kam im Laufschritt hinter ihnen her. Ihre Wangen waren gerötet.
Pri blieb stehen und drehte sich um. »Du weißt, wohin ich will.«
»Und wenn er nicht mit dir sprechen möchte?«
»Ich bestehe darauf. Sowohl als Tochter als auch aufgrund der aktuellen Lage in meiner Funktion als Anführerin des Widerstands.«
Die Beraterin blieb stehen. Sie gehörte noch nicht lang zum Stab Antonin Sipieras, trotzdem musste sie wissen, wer Pri war. Jeder im Parlament wusste inzwischen, dass ausgerechnet Pri Sipiera, die Tochter des Lunaren Residenten, den Widerstand anführte.
»Nicht mit Leibwächtern«, beschied Tirig. »Keine Waffen.«
Errest und Raphal starrten Pri an.
Pri zögerte. Bisher hatten die Onryonen keine Anstalten gemacht, sie zu verhaften. Auch Shanda Sarmotte hatte keinen Alarm geschlagen. Offensichtlich durften sie sich frei bewegen, und die Zusammenarbeit mit den Onryonen war keine Falle. »Also gut. Raphal, Shilo, ihr könnt gehen.«
Sie drehte sich um und setzte ihren Weg fort. Jena Tirig hatte Mühe, mit ihr Schritt zu halten. Die kleine Frau war älter als sie und offensichtlich außer Form. Pri spürte Bitterkeit. Tirig war nicht in ständiger Fluchtbereitschaft, sondern konnte ihren Hintern gemütlich in einem der weichen Sessel des Flip wiegen.
Raphal und Errest hatten offensichtlich gelernt, wann man mit ihr diskutieren konnte und wann nicht. Sie blieben hinter Pri zurück.
Je näher sie der inneren Kugel kam, desto lauter schlug Pris Herz. Was tat sie überhaupt? War das eine Dummheit, die sie bereuen würde? Erst vor Kurzem hatte sie sich innerlich ganz und gar von ihrem Vater gelöst – zumindest hatte sie das geglaubt. Und
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