2728 – Die Gravo-Architekten
dickflüssigem Wachs entstanden an der Decke. Sie wurden länger, verwandelten sich in biegsame Stäbchen.
Mit dem Gammablitz vergrößerte eines der Gebilde. Wie die gesamte Technokruste sich über dem Mond vorgearbeitet hatte, wirkte es auch in diesem Stäbchen, nur in Miniatur. Winzige Maschinen entstanden, veränderten sich, schoben sich vor wie roboterartige Ameisen in einem Haufen. Ganz ähnlich wie sich Kemeny die Arbeit von Toufecs Nanogentenschwarm vorstellte.
»Das ... das ist genial. Wie funktioniert das?«
»tt-Progenitoren«, sagte die Technikerin und erntete dafür einen wütenden Blick ihres Kollegen.
Auf dem Holo bildete sich ein garndünner Faden, der hinabwehte und immer tiefer sank. Kemeny zählte die Sekunden und berechnete im Kopf, wie lange es dauern würde, bis bei dieser Wachstumsquote stabile Säulen entstehen würden, die die Panzertroplonkuppel vom Boden her stützen würden. Er kam auf drei Stunden.
»Erstaunlich.«
Es kostete Kemeny Mühe, sich vom Anblick des schnell wachsenden Geflechts abzuwenden und wieder an seine Arbeit zu gehen.
*
»Gib mir die Brille! Ich will es auch sehen!« Satheki griff nach dem Gestell auf Mahloys breiter Nase, dessen Gläser nicht nur das grelle Licht Luna Citys dämpften, sondern auch alles größer machten.
Sie standen zusammen auf dem Balkon ihres Wohnturms und beobachteten, wie die grüne Säule zwischen der Panzertroplonkuppel und dem Platz neben ihrem Wohnhaus immer dicker wurde.
Mahloy wich ihr aus. Satheki sprang ihm nach und riss die Brille an sich. Er schimpfte, wehrte sich aber nicht, als sie die Brille aufsetzte und hinauf zur Decke starrte. Mit einem Blinzeln zoomte sie heran, so weit es ging.
Ganz oben an der Decke wuchs etwas, das wie ein Spinnennetz aussah. Filigran leuchtete es in dem dezenten Grün, das Satheki so mochte. Es gab ihr ein Gefühl von Frieden und Weite. »Irgendwas passiert mit dem Geflecht. Warum machen die das?«
»Frag doch deinen Vater.« Mahloy verschränkte die Arme vor der Brust. »Der weiß alles, oder?«
Satheki hatte den Kopf so weit zurückgelegt, dass es im Nacken wehtat. »Kann schon sein. Aber mir sagt er gar nichts. Nicht mal über die Feueraugen, die sie ständig zeigen.«
Sie senkte das Kinn und erkannte durch die Brille, was in der Tiefe geschah. Einen Kilometer unter ihr wimmelte es wie von Insekten. Lunarer zogen durch die Straßen. So viele waren um diese Zeit ungewöhnlich. Dort unten herrschte geradezu Verstopfung. »Hey, Mahloy! Schau dir das an! Wollen die wieder gegen uns demonstrieren?«
Mahloy antwortete nicht. Sie drehte sich um. Er war schon hineingegangen. Satheki schlüpfte durch die Glassitgleittür in den Wohnraum und schlich auf Zehenspitzen zur Sphäre der Verkündung, in der sie nichts verloren hatte. Nur die Älteren durften dorthin gehen.
Ihr Emot brannte. Verschwiegen die anderen ihr etwas? Hirthannor meinte ständig, alles wäre gut. Es gab kaum etwas, das Satheki so sehr beunruhigte wie dieses ewige Wiederholen von etwas, das sonst nie jemand sagte.
Wenn alles gut war, warum kamen dann immer wieder diese Bilder von den roten Augen im All? Und warum wollten sie überraschend ihren Vater in Iacalla besuchen? Khelay würde bloß wieder keine Zeit haben, und ihr Schlafrudel besuchte normalerweise weder ihren Vater noch Iacalla ohne besonderen Anlass. Das hieß doch, dass etwas unnormal war!
Sie stellte sich so, dass sie durch den Türspalt in die Sphäre der Verkündung spähen konnte, und blinzelte den Zoom zurück. Von ihrer Position aus erkannte sie das halbe Holo, zum Teil verdeckt von Hirthannor und Irthin. Hören konnte sie nichts, denn es lag ein Akustikfeld dazwischen, aber sie las den Schriftzug: »Coelestinischer Bah...«. Danach verlor sich das Wort hinter Hirthannors breitem Schädel.
Das Bild wechselte und zeigte etwas, das wie eine terranische Mikro-Space-Jet aussah. Mahloy hatte so ein Ding zum Spielen. Er hatte ihr die Space-Jet schon öfter im Schwebemodus gegen den Hinterkopf donnern lassen, bis Hirthannor sie samt der Raumväter und Beiboote eingesammelt hatte.
Irgendwie schien dieses Ding auf dem Holo wichtig zu sein.
Ein Ruf Nandherreys erschreckte sie: »Satheki! Wo sind denn deine Sachen?«
Satheki fuhr mit kribbelnder Stirn herum und hoffte, dass man an ihrem Emot das Schuldbewusstsein nicht ablesen konnte. »Hab sie schon!«
Sie rannte, um den Schwebekoffer zu holen, und kam zum Ausgang der Wohnung.
Es dauerte nicht lang, dann waren
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