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273 - Die Wandlung

273 - Die Wandlung

Titel: 273 - Die Wandlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Stern
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Dunkelheit ist alles einfacher.
    Bahafaa durfte nach wie vor nicht erfahren, dass er ihr gefolgt war. Sie musste ihn in ihrer Hütte wähnen, damit sie ihn nach ihrer Rückkehr nicht verstieß.
    Er wartete. Die Sonne ging unter und die Nacht senkte sich über die Berge. Wolken zogen auf, bedeckten den aufgehenden Mond und die Sterne.
    Grao wollte sich eben an den Abstieg machen, als er die schmale Gestalt sah, die sich lautlos über die hohe Palisade zog. Er kniff die Augen zusammen. Das war Ludmeela! Sie hing an einem Seil, das sie um einen Pfosten der Palisade geschlungen hatte, und bewegte sich wie ein Schemen in der Finsternis. Im Mondlicht blinkte ein glänzender Haken auf, der auf ihrem Armstumpf saß und den sie zwischen zwei Holzbalken trieb, um besseren Halt zu finden.
    Mit schnellen Bewegungen kletterte Grao vom Baum herab. Er musste zu Bahafaa gelangen, ehe Ludmeela den Schlafraum erreichte. Ohne Zögern stürmte er auf die Palisade zu. Dabei verwandelte er seine Gestalt. Aus seinen Füßen und Händen schossen harte Spitzen, die er in den Pfosten der Palisade schlug. Er arbeitete sich rasch nach oben. Während des Überkletterns versuchte er so leise wie möglich zu sein, um die Wachen am Eingangstor nicht aufzuschrecken.
    Er überwand die Spitzen der Palisade und sprang fast lautlos auf den drei Meter unter ihm liegenden Boden. Sofort machte er sich daran, seine Gestalt erneut zu ändern. Er formte die Figur und Kleidung einer kräftigen Frau nach, ähnlich gekleidet wie jene, die er innerhalb der Siedlung gesehen hatte.
    So getarnt, machte er sich auf dem Weg zu dem Haus hinter der Schmiede, wo er Bahafaa zuletzt gesehen hatte und wo er ihren Schlafplatz vermutete. Lautlos schlich er über den Innenhof. Das Eingangstor des Hauses war nicht bewacht und es gelang Grao mühelos, in den Wohnraum einzudringen. Es roch nach Fett, Kräutern und Rauch. Er fand sich in einem großen Hauptraum wieder, an dessen Seiten mehrere Tücher von der Decke zum Boden hingen. Hinter zweien der Tücher schnarchte es vernehmlich. Im schwachen Schein des niedergebrannten Feuers ging Grao auf eines davon zu, zog vorsichtig das Tuch zurück - und erstarrte.
    Vor ihm, in einer mit hölzernen Schnitzereien verzierten Einbuchtung, lag Aruula auf mehreren Fellen. Die Barbarin hatte eine dünne Decke über sich gezogen, die ihr bis zur Hüfte reichte. Ihr Oberkörper war nackt, die blauen und grünen Linien darauf schwach auszumachen. Ihr Brustkorb hob und senkte sich regelmäßig. Sie schien tief und fest zu schlafen. Ihr Körper war ihm schutzlos ausgeliefert.
    Grao umkrampfte mit einer Hand das Tuch, das er zurückgezogen hatte. Aruula. Wie oft war sie ihm in die Quere gekommen, als er gemeinsam mit ihr und Daa'tan auf Reisen gewesen war. Und hatte nicht auch sie Verantwortung für Daa'tans Tod? Grao war sicher, dass es Mefju'drex gewesen war, der Daa'tan letztendlich getötet hatte. Seine leibliche Mutter hätte das niemals über sich gebracht. Aber war sie deshalb unschuldig? Sie hatte tatenlos zugesehen, wie ihr eigener Sohn starb.
    Ein heißes Brennen erfüllte Grao. Ein Zorn, wie er ihn früher nie gekannt hatte. Er hob den freien Arm, und aus der Hand der feisten Kriegerin formte sich eine Klinge, die im Licht des Feuers schimmerte.
    Diese Stunde wird meine Stunde sein…
    So dachte er - bis sich ein anderer Gedanke in seine Überlegungen drängte: Bahafaa. Er durfte nicht vorschnell handeln. Aber wenn sie es doch nie erfährt…
    Grao ließ den Stoff los und dachte an die Lischettenlarve, die er in einer Hautfalte bei sich trug. Er musste die Larve Aruula nur einsetzen, und dann würde er ihr mit ein bisschen Glück befehlen können. Er konnte sie dazu bringen, das Holzhaus niederzubrennen. Es würde wie ein tragischer Unfall aussehen…
    Langsam zog er die Lischettenlarve aus der Hautfalte an seinem Bauch und betrachtete sie. Er musste das Tier lediglich in Aruulas Mund schieben. Zögernd starrte er die Larve an. Warum tat er es nicht? Warum war alles, an das er denken konnte, Bahafaas Gesicht?
    Da sprang plötzlich Aruula auf die Füße. Ihre Hände griffen gedankenschnell nach dem Schwert, das neben ihrer Lagerstatt lag, und sie schlug zu. Grao reagierte verzögert, aber schnell genug: Instinktiv stoppte er ihren Hieb mit der Hand, die noch zu einer Waffe geformt war.
    »Grao'sil'aana«, stieß Aruula hasserfüllt hervor und starrte auf den Frauenarm, der ab dem Handgelenk zu einer Klinge mutiert war. »Ich wusste, dass

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