274 - Die dunkle Seite des Mondes
etwas für sie ausdenken, wenn ich die Zeit dafür finde.« Für einen Augenblick schwieg der Funktionär. »Schaffen Sie Nugamm weg und beseitigen Sie sämtliche Spuren in seiner Wohnung. Und beeilen Sie sich. Wenn Chandra Tsuyoshi die Exekutiven alarmiert, will ich, dass das Appartement sauber ist.«
»Was sollen wir mit der Leiche tun?«
»Mir egal. Lassen Sie sie verschwinden oder täuschen einen Unfall oder Selbstmord vor. Seien Sie kreativ. Und nun habe ich mich um Wichtigeres zu kümmern.«
Saintdemar unterbrach die Verbindung gerade in dem Augenblick, als sich die Fahrstuhltüren öffneten. Statt den Lift zu betreten, kehrten die Agenten in Nugamms Wohnung zurück.
***
In der Mondstation
»Hilfe!«, kam der Schrei über den Helmfunk. »Hier ist ein… ein Geist! Er bringt uns alle um! Helft mir!«
Henry Cedric Braxton erstarrte. Für einen Augenblick fühlte er sich, als wäre auch er zu Stein geworden. Was ging in dieser verdammten Einöde, Millionen Kilometer von zu Hause entfernt, nur vor sich?
»Gerber? Sind Sie das?«, rief Braxton in das Mikrofon. Er war verwirrt. Nach seiner Kontaktaufnahme mit dem Mars hatte der von ProMars eingeschleuste Kommandant die Funkanlage außer Betrieb gesetzt. Schließlich wollte er nicht, dass die zu seinem Unwillen auf dem Schiff Zurückgebliebenen eine andere Geschichte an die Heimat durchgaben, als er selbst es zu tun beabsichtigte. Folglich konnte sich Gerber gar nicht melden - es sei denn, er benutzte den Helmfunk eines Raumanzugs. Aber warum sollte er das tun?
Hier ist ein… ein Geist! Er bringt uns alle um!
Braxton starrte auf die versteinerten Körper der Mondbesatzung. Ihn schauderte. »Gerber! Was ist da los bei Ihnen?«
Eine Antwort von der CARTER IV blieb aus. Stattdessen erklang die Stimme von Ricard L. Pert. »War das Glenn? Hat er ›Geist‹ gesagt? Was passiert da auf dem Schiff?«
»Woher soll ich das wissen?«, schnauzte Braxton. »Bleiben Sie in der Zentrale und reparieren Sie diese verdammte Funkanlage. Wir kommen zurück.«
Die Gedanken in seinem Kopf surrten umher wie ein aufgebrachter Schwarm Stechschweißer. All die Wochen des Fluges, jede einzelne Minute, während jeder einzelnen albtraumgetränkten Nacht - ständig hatte es ihn vor dem gegraut, was er auf dem Mond zu tun hatte. Die Besatzung der Station töten, seine eigene Crew auslöschen. Wie oft war er mit einem Schrei auf den Lippen aufgewacht, weil ihn die Last dieser Aufgabe bis in den Schlaf verfolgte? Doch nach und nach war es ihm gelungen, sich mit der Schuld zu arrangieren, die er im Begriff war, auf sich zu laden. Alles diente nur einem höheren Ziel. Dem Wohle der Heimat.
Und nun trafen sie hier ein und er musste feststellen, dass eine reale Bedrohung existierte. Eine Kraft, eine Macht, ein… Geist , der die Stationsbesatzung versteinert hatte. Der ihm die Arbeit abgenommen hatte. Bei dem letzten Gedanken hätte er beinahe laut aufgelacht.
Sie erreichten die Zentrale in der Kuppel. Ricard L. Pert hatte das Funkgerät komplett ausgetauscht und war gerade dabei, das neue anzuschließen. Ein weiterer Techniker arbeitete an der Bildübertragung zum Mars, während die beiden anderen mit dem Archivserver beschäftigt waren.
Als Braxton und seine drei Begleiter die Zentrale betraten, stellten die Techniker ihre Arbeit ein und sahen den Kommandanten an. »Wir müssen zum Raumschiff und nachsehen, was dort passiert ist! Warum meldet sich dort niemand mehr?«
Statt eine Antwort zu geben, berichtete Braxton, was sie an Bord des Shuttles entdeckt hatten.
»Und Sie… Sie meinen, dass das auch in der CARTER geschehen ist?« Calora Stantons Blick irrte durch die Zentrale. In ihm lag die Hoffnung, der Kommandant würde diese Frage verneinen. Doch den Gefallen tat er ihr nicht.
»Womöglich. Wahrscheinlich. Ja, ich denke schon.«
»Ach was!«, ließ sich Waltar Shang vernehmen. »Glauben Sie wirklich, ein Gespenst hätte unser Raumschiff geentert? Ich halte den Gedanken für absurd.«
»Dann erklären Sie mir die Panik in Gerbers Stimme! Vermutlich ist es eine neue Teufelei der Erdbarbaren, irgendeine Geheimwaffe.«
Einer der Techniker begann an der Konsole vor der Monitorwand herumzuschalten. Dann klopfte er mit dem Finger auf einen der Bildschirme, auf dem ihr Packschlitten zu sehen war. »Hier. Das stammt von der Außenkamera vor der Schleuse, durch die wir gekommen sind. Ich versuche, sie auf die CARTER IV zu richten.«
Einige Sekunden später verschwand der Schlitten
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