274 - Die dunkle Seite des Mondes
ließ.
Nach der Flucht vor den beiden Killern hatte sie sich in ihren Gleiter geworfen und war aus der Tiefgarage des Spindelgebäudes gerast. Alix ist tot! Immer wieder dieser eine Gedanke.
Wie in Trance schaffte sie es bis in ihre Wohnung. Sie musste den Inhalt des Speicherkristalls überprüfen, bevor sie damit an die Öffentlichkeit ging. Die Killer hatten fürs Erste ihre Spur verloren, davon ging sie aus. Doch allzu lange würde sie auch hier nicht sicher sein.
Sie öffnete den Kristall auf dem heimischen Rechner. Daten über Daten. Es würde Stunden dauern, auch nur halbwegs einen Überblick zu bekommen.
Sie musste die Exekutiven informieren, den Mord melden.
Und dann? Sie würden den Speicherkristall als Beweismittel beschlagnahmen, offiziell gegen ProMars ermitteln - oder war die Organisation bereits so mächtig, die Beweise verschwinden zu lassen? Chandra war sich nicht sicher. Möglich wäre es.
Sie versuchte die Dateien auf ihrem Rechner abzuspeichern oder sie der Präsidentin zu schicken, doch es gelang nicht. Stattdessen erschien ein Dialogfeld auf ihrem Monitor: »Nur Lesezugriff - für weitergehende Verwendung Passwort eingeben!«
Mist. Was hatte sich Alix dabei gedacht, ihr einen nicht kopierbaren Datenkristall auszuhändigen? Im nächsten Moment biss sie sich auf die Lippe. Sicherlich hätte er ihr das Passwort mitgeteilt - wenn er noch dazu gekommen wäre! Tränen schossen ihr bei dem Gedanken in die Augen.
Chandra wählte Maya Tsuyoshis PAC an. Statt ihrer Cousine meldete sich jedoch nur deren Büro. »Die Präsidentin befindet sich derzeit in einer Ratssitzung und kann nicht gestört werden. Möchten Sie eine Nachricht hinterlassen?«
Das mochte sie nicht und unterbrach die Verbindung.
Sie fluchte. Die Ratssitzung hatte sie völlig vergessen. Also doch die Exekutiven?
Da erstarrte sie.
Die Sitzung! Von ENT live übertragen. Das war es! Das war die Möglichkeit, ProMars mit deren eigenen Waffen zu schlagen.
Ohne länger darüber nachzudenken, stopfte sie den Kristall in ihre Tasche, verließ die Wohnung und raste mit dem Gleiter los.
Von der Biloba-Allee aus sah sie, hoch über die übrigen Gebäude hinausragend, das glitzernde Regierungsgebäude, nach einem Archivbild wie eine weiße Lilie geformt. Eine Abzweigung noch über die Tharsis-Avenue, dann hinauf zur Hellespontus-Plaza, und dann über die schmale, nur für Taxis zugelassene Narrow direkt zum Eingang des Ratsgebäudes.
Sie sprang aus dem Gleiter, hetzte zum Portal - und hatte mit einem Mal das Gefühl, ihr Herz bliebe stehen. Nicht einmal hundert Meter von ihr entfernt kamen zwei Männer um die Ecke des Hauses, von denen sie gehofft hatte, ihnen nie wieder zu begegnen.
Stoppelhaar und Silberbraue!
Die Killer verharrten für einen Augenblick, dann rannten sie los.
Chandra sah nur einen Ausweg: die Flucht nach vorn. Hinein ins Ratsgebäude, über die spiegelblanken Fliesen der Vorhalle zu einem der gläsernen Aufzüge, hinauf zum Sitzungssaal. Durch die transparenten Fahrstuhlwände beobachtete sie, wie die beiden Männer ebenfalls, ins Gebäude gestürzt kamen und den Lift neben ihrem bestiegen.
Als sich die Türen vor ihr öffneten, hatten ihre Verfolger etwa die Hälfte der Strecke zurückgelegt. Chandra wandte sich nach links. Vor den Türen des Ratssaals tummelte sich eine Schar von Journalisten um einen mannshohen Monitor, auf dem die Sitzung übertragen wurde. Keiner von ihnen sprach ein Wort. Stattdessen lauschten sie gebannt der Stimme, die aus den Boxen drang. In ihren Augen lag das pure Entsetzen.
Es hatte bereits begonnen! Braxton gab den fingierten Funkspruch durch.
Eine Bestätigung dafür erhielt Chandra, als der Kommandant der CARTER IV sagte: »Wir müssen die Mondstation aufgeben. Es wäre viel zu gefährlich, noch einmal hier zu landen!«
Chandra warf einen Blick über die Schulter und sah, dass der Aufzug mit den Killern ankam. Ohne zu zögern, stieß sie die Tür zum Ratssaal auf. Unter normalen Umständen hätten Ordnungskräfte sie davon abgehalten, doch auch sie starrten mit fassungslosen Mienen auf den Monitor.
Erst als Chandra lautstark ihre Stimme erhob, wurden sie sich ihres Versäumnisses bewusst und setzten ihr nach, doch sie blieb nicht stehen.
Der Sitzungsraum quoll beinahe über vor Leuten. Die Präsidentin, die vier weiteren Ratsmitglieder, jedes von ihnen durch mindestens drei statt den sonst üblichen einen Berater verstärkt, eine Reihe von Zivilisten auf der Zuschauerbank - und
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