274 - Die dunkle Seite des Mondes
alle starrten sie an.
Die Präsidentin sprang von ihrem Stuhl auf. »Chandra! Was soll das?«
Chandra drängte sich an ein Rednerpult. »Nichts von dem, was Braxton Ihnen erzählt, entspricht der Wahrheit!«, fuhr sie fort. »ProMars hat ihn an Bord eingeschleust, damit er Ihnen weismachen soll, die Erdmenschen hätten die Station überfallen! Das ist billigstes Schmierentheater!«
Weitere Kameras richteten sich auf Chandra aus. »Ich muss doch sehr bitten«, begehrte einer der Berater aus dem Hause Gonzales auf. Auch auf der Zuschauerbank, die vermutlich mit einigen ProMars-Mitgliedern besetzt war, kam Gemurmel auf. »Das sind haltlose Anschuldigungen!«
Plötzlich schrien alle durcheinander und der Ratssprecher musste mehrfach einen elektronischen Summer betätigen, bis Ruhe einkehrte.
»Woher haben Sie diese Informationen?«, fragte einer der Journalisten von EEI .
»Ich hatte einen Privatermittler beauftragt, der die Verschwörung aufgedeckt hat. Das wurde ihm zum Verhängnis. ProMars-Agenten haben ihn getötet.«
Allgemeines Ah und Oh hallte durch den Raum.
»Das sind schwerwiegende Anschuldigungen, mein liebes Kind«, sagte der Ratssprecher, diesmal ohne die Stimme erheben zu müssen. »Haben Sie Beweise dafür?«
Chandra schaute kurz zur offenen Tür zurück, aber natürlich war von den beiden Killern nichts zu sehen. Entweder waren sie in der Menge untergetaucht oder hatten sich rechtzeitig aus dem Staub gemacht.
»Natürlich habe ich die«, sagte sie mit fester Stimme. »Ich würde doch niemals vor dem Rat Behauptungen aufstellen, die nicht der Wahrheit entsprechen. Braxton soll vortäuschen, die Erdmenschen hätten die Station angegriffen und alle getötet. In Wahrheit hat er selbst seine Leute mit Giftgas umgebracht!« Sie griff in die Hosentasche, doch bevor sie den Kristall hervorholen konnte, hallte ein Ruf durch den Saal.
»Seht!« Einer der ENT -Kameramänner deutete auf die Monitore, auf denen sich langsam durch das Flimmern ein Bild schälte. Ein Bild, das Chandra zutiefst verwirrte: Henry Cedric Braxton, der festen Blickes in die Kamera sah, und hinter ihm einige Marsianer, die eine Monitorwand beobachteten. Jene Marsianer, von denen Chandra behauptet hatte, er habe sie alle getötet.
»Gerade höre ich«, sagte Braxton, »dass auch die Bildverbindung intakt ist und wir auf den Archivserver zugreifen können. Vielleicht kann uns das darauf gespeicherte Material Aufschluss geben, wie es zu den Versteinerungen gekommen ist.«
Was? Versteinerungen?
Ein Schauder des Entsetzens lief über Chandras Rücken. Matt hatte ihr von diesem Phänomen auf der Erde erzählt. Doch außer ihr wussten lediglich Maya, Clarice und Vogler davon. Wie konnte ProMars davon erfahren haben, um es für die eigenen Zwecke zu benutzen?
Das Bild auf dem Monitor änderte sich. Braxtons Gesicht verschwand, die Mondstation blieb. Die Datumsanzeige im unteren rechten Eck zeigte, dass die Aufnahmen schon einige Monate alt waren und aus der Zeit stammten, als die Verbindung zum Mond abgebrochen war.
Ein Mann, vom Körperbau eindeutig menschlich und kein Marsianer, strich durch die Gänge der Station. Von seiner Kleidung her erinnerte er Chandra an einen Seeräuber der irdischen Historie, und er war mit einer altertümlichen Hiebwaffe ausgerüstet.
Diese Aufnahmen konnten niemals echt sein! Jemand musste den Mann in die Aufzeichnung hineinkopiert haben, und das nicht einmal besonders gut. Man konnte sogar durch ihn hindurchsehen.
Andererseits… warum liefen dann Mitglieder der Besatzung der Erscheinung entgegen und schossen mit Strahlenwaffen auf sie? Trotz der Gefahr, die Außenhülle der Station zu beschädigen?
Die Strahlen richteten bei dem durchscheinenden Menschen keinen Schaden an. Stattdessen berührte er die Marsianer - und verwandelte sie zu Stein.
Ohne es zu wollen, stöhnte Chandra auf. Ein unterdrückter Schrei ging durch den Saal.
Minutenlang mussten sie zusehen, wie sich der Unhold einen nach dem anderen holte. Danach wirkte der Pirat gar nicht mehr so durchscheinend. Einer von der Besatzung rannte noch zur Funkanlage, wollte vermutlich einen Notruf absetzen, da griff ihm der Mann von hinten an die Schulter. Das Opfer verharrte mitten in der Bewegung.
Einige Sekunden vergingen, in denen der Unheimliche reglos dastand und die Statue anstarrte. Plötzlich holte er mit dem Säbel aus, schlug damit auf die Funkanlage ein und hieb schließlich den steinernen Körper in Höhe der Taille entzwei. Der
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