276 - Die Genesis des Arthur Crow
hatte Yiling a) gewusst, wie die kritische Situation entschärft werden konnte, und b) dass Gonzales nur ohnmächtig war?
Weibliche Intuition, Ferndiagnose?
Damon beschloss, sich in einer Pause mit Calora kurzzuschließen. Ihm war nicht wohl bei all dem, was sich um ihn herum tat - und damit meinte er am allerwenigsten den rein technischen Defekt, der von Gerald Gonzales ausgelöst worden war.
Die Menschen an Bord verhielten sich seltsam. Immer an der Grenze des - vielleicht - gerade noch Erklärlichen, aber genau das schuf eine für Damon bedrückende und kaum noch erträgliche Atmosphäre.
Er fragte sich, ob das Problem nicht vielleicht doch bei ihm selbst lag.
Er ahnte nicht, dass sich Calora gerade genau dieselbe Frage stellte - und mindestens genauso unwohl fühlte…
***
Calora Stanton betrat die Krankenstation - und war verwirrt. Sie hatte durchaus erwartet, dass sich hier um einen Patienten gekümmert wurde - der Vorfall im Maschinenraum und der Grund für den kurzzeitig ausgelösten Alarm waren ihr zugetragen worden.
Aber die Szene, die sie erwartete, als sie den Med-Bereich betrat… war merkwürdig.
Auf einer der Liegen ruhte Gerald Samuel Gonzales. Bei ihm standen verschiedene Personen, darunter auch Waltar Rejo Shang und Tita Athena Gonzales. Beide waren Ärzte, wie Calora auch.
Auffällig an der Szene aber war, dass keiner von ihnen Gonzales eine Injektion verabreichte, sondern ein Angehöriger des Technikpersonals namens, falls Caloras Gedächtnis nicht trug, Orson Angelis.
»Was geht hier vor?«
Die Blicke der Versammelten wandten sich ihr zu. Für einen Moment schien ihr offene Feindseligkeit entgegenzuschlagen, doch vielleicht war das auch nur ihre Interpretation, weil sie sich darin bestätigt fühlte, dass irgendetwas nicht stimmte.
Sie fröstelte, als Waltar auf sie zutrat. »Du zitterst. Geht es dir nicht gut?«
Wie hohl die geheuchelte Anteilnahme klang.
In diesem Moment war Calora sicher, dass sie geheuchelt war.
Doch schon eine Sekunde später geriet ihre Überzeugung ins Wanken.
Waltar schien ehrlich besorgt - und die anderen Versammelten wirkten auch glaubwürdig in ihrer Anteilnahme.
»Ich bin okay, danke«, rang sie sich ab. »Aber seit wann geben Techniker hier die Spritzen, während die Ärzte dabeistehen und zusehen?«
»Es war vielleicht nicht in Ordnung«, lenkte Waltar ein, »aber wir haben alles unter Kontrolle. Techniker Gonzales hat den Stromschlag erfreulich gut verkraftet. Die Spritze enthielt nur ein Stärkungsmittel.«
Sie merkte, dass er dem Kern des Problems auswich. In diesem Moment beschloss sie, ihn glauben zu lassen, es sei ihm gelungen.
Tita trat zu ihnen. »Willst du Meldung machen?«, fragte sie.
»Nein«, log Calora.
Tita nickte. »Das ist gut.« Sie wandte sich wieder ab und den anderen zu, die bei Gerald Samuel Gonzales standen.
Calora wurde klar, dass sie hier nur störte. Sie kam sich vor wie ein Anachronismus. Unter einem Vorwand verließ sie die Krankenstation. Unterwegs erreichte sie Damons Anruf. Er bat um ein Treffen, und so, wie er es tat, meinte er damit garantiert kein Rendezvous.
Calora verabredete sich mit ihm auf der Sternengalerie, einem Gang, der die Außenhülle der CARTER IV komplett umlief und dessen Decke aus transparentem Stahl war. Nirgends sonst innerhalb des Schiffes fühlte man sich dem Weltall so nah.
Und der Kälte, die längst nicht mehr nur da draußen zu herrschen schien…
9.
Ivees Vater erwachte.
Der Widerschein noch nicht vollständig erloschener Glut erhellte den Raum, in dem Forkas und sein Weib Rika schliefen. Ivee hatte ihren eigenen Bereich - nicht sonderlich groß, aber groß genug, um ihnen allen gerecht zu werden.
Kinder brauchten ihr eigenes Reich ebenso wie Eltern. Nur in den ersten beiden Lebensjahren hatte Ivee mit ihnen zusammen in dem großen Bett geschlafen. Aber sie war schon früh sehr eigenwillig gewesen, auch in Wohnangelegenheiten, wie Forkas schmunzelnd resümierte.
Er richtete sich auf den Ellbogen auf. Neben ihm wälzte sich Rika schlaftrunken zur Seite. Sie brabbelte etwas, das nicht danach klang, als wäre sie wach.
Forkas betrachtete sein Weib eine Weile. Die Felldecke war halb von ihrem schlanken Körper gerutscht. Rika sah verführerisch aus und Forkas wollte sich ihr gerade zuwenden, als…
... als ihn etwas zurückhielt.
Ein Gefühl für… Veränderung.
Als männlicher Angehöriger des Stammes war er nicht des Lauschens mächtig, und doch gab es Dinge in seinem
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