279 - Der Fluch von Leeds
Abwesenheit nicht geändert.«
»Was?«, wollte Allison wissen, der ihn inzwischen eingeholt hatte.
»Der Vorposten von Wallbridge.« Robin Fletscher deutete auf den Ruinenbogen am anderen Ende des Platzes. Dahinter führte eine gepflasterte Straße zu dem Waldgürtel vor dem Bunkerareal. Davor waren patrouillierende Uniformierte und mehrere Buggys zu sehen. »Die werden uns jetzt zum Bunker chauffieren. Und dort wird Thaadsch mir einiges erklären müssen.«
Entschlossen marschierte er los. Als sie kurze Zeit später den Vorposten erreicht hatten, schien man sie dort schon erwartet zu haben. Ohne viel Aufhebens fuhr man sie in einem der Buggys zum Stützpunkt der Community von Leeds.
***
Der Empfang in Wallbridge fiel ähnlich frostig aus wie der zuvor in der Stadt. Zwar wurden sie hier nicht mit Waffen bedroht, doch nach all den Jahren seiner Abwesenheit hatte sich Fletscher den Empfang anders vorgestellt. Während er und Hugh Allison einem Uniformierten über Gänge und Treppenschächte zur Unterkunft von Georg Thaadsch folgten, begegneten ihnen unterwegs annähernd zwei Dutzend Bunkerbewohner. Keiner grüßte, keiner sprach ein Wort. Nur versteinerte Mienen, als wären die Ankömmlinge Luft.
»Wallbridge hat wohl mit seinem neuen Kommandanten die übliche Höflichkeit verloren, die man Gästen entgegenbringt«, schnaubte der Major wütend. Doch weder die Vorbeieilenden noch der Soldat vor ihm beachteten sein Schimpfen. Nur Allison warf ihm einen unruhigen Blick zu. »Schon ein bekanntes Gesicht gesehen?«, wollte er wissen.
»Nicht eines«, knurrte der Mann aus Leeds. »Und so langsam bezweifle ich, ob es hier überhaupt noch jemanden aus den alten Zeiten gibt… außer diesem verfluchten Georg Thaadsch.«
Doch seine Zweifel waren unbegründet. Als sie wenige Minuten später den Besprechungsraum des Bunker-Kommandanten betraten, erwartete sie dort ein knappes Dutzend Technos, das sich um einen runden Tisch versammelt hatte. Der Major entdeckte gleich mehrere vertraute Gesichter unter ihnen.
Eines gehörte zu General Beeng. Ein steinalter Albino mit wässrigen Augen, zerknitterter Haut und dickem blauen Venengeflecht auf seinem kahlen Schädel. Er mochte inzwischen weit über hundert Jahre alt sein. Ein strenger Befehlshaber, mit dem Fletscher immer gut ausgekommen war. Freundlich nickte er dem Major zu.
Während er dessen Gruß erwiderte, fiel Fletschers Blick auf die Frau neben dem General: Elizaa Doopt. Beim Anblick der dünnen Blondine krochen unangenehme Erinnerungen an ihre letzte Begegnung aus seinen Gehirnwindungen. Darin gab Elizaa ihm eine schallende Ohrfeige. »Verpiss dich, Fletscher, und lass dich hier nie wieder blicken!«, hatte sie damals getobt. Jetzt schaute sie ihm mit undurchdringlicher Miene entgegen.
Der Major wich schnell ihrem Blick aus und suchte nach Georg Thaadsch. Dabei entdeckte er ein weiteres bekanntes Gesicht: Wolter Buutsch, den Fletscher einst vom Rekruten zum Unteroffizier ausgebildet hatte. Ein unangenehmer Zeitgenosse, verschlagen und aufsässig. Der Major hatte ihn damals hart rangenommen, um ihm die nötige Verantwortung für seine Kameraden einzubläuen, die im Kampf unerlässlich war. Doch er bezweifelte, dass seine Mühe mit dem bulligen Burschen Früchte getragen hatte. Auch wenn Buutsch inzwischen einen höheren Rang zu bekleiden schien. Zumindest deuteten die unzähligen Orden auf seiner Uniform darauf hin. Mit einem kalten Lächeln im kantigen Gesicht nickte er Fletscher zu.
Gleichzeitig erhob sich neben ihm ein schmächtiger Mann in weißer Uniform. »Willkommen«, begrüßte er die Ankömmlinge mit eisiger Stimme. Fletscher musste zweimal hinsehen, um zu begreifen, dass es sich bei dem Sprecher um Georg Thaadsch handelte. Der einstige Wissenschaftsoctavian war kaum wiederzuerkennen mit den dicken Brillengläsern im schmalen Gesicht und dem grauen Haarpelz auf seinem einst kahlen Schädel. Auch seine Körperhaltung erinnerte nicht annähernd an den Thaadsch, der stets mit eingezogenem Kopf und hängenden Schultern durch die Bunkergänge geschlichen war. Der sich immer benachteiligt zu fühlen schien und jeder Entscheidung, die der Rat damals traf, seine Bedenken anfügen musste.
Dieser Georg Thaadsch hier, der sie jetzt gönnerhaft einlud, näherzukommen, hatte eher etwas von einem Mann, der wusste, dass ihm nichts und niemand seinen Rang streitig machen konnte. Doch da macht er die Rechnung ohne mich , dachte Fletscher. Humpelnd folgte er Allison zum
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