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28 - Im Lande des Mahdi II

28 - Im Lande des Mahdi II

Titel: 28 - Im Lande des Mahdi II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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er die Stricke der andern nicht untersuchte. Das Messer bemerkte er nicht; es lag in der hintersten Ecke bei dem alten Steuermann, welcher dort hockte. Da ich im Besitz dieses Instruments war, hätte ich uns leicht die Fesseln lockern können; aber ich verzichtete darauf, es zu tun, da ich annahm, daß Ibn Asl nochmals kommen und wenigstens die meinigen wieder untersuchen werde.
    Ich lehnte mich an die Außenwand und sah durch die von mir gemachten Löcher hinaus auf den Nil. Wir waren längst an der Dschesireh Mohabileh vorüber und mußten bald das Dorf Qaua passieren. Die Schatten des linken Ufers lagen über der ganzen Breite des Flusses, ein Zeichen, daß die Sonne im Sinken sei. Bald wurde es Abend, und da ich nun nichts mehr zu sehen vermochte, legte ich mich wieder nieder.
    Es mochte nach abendländischer Zeitrechnung gegen acht Uhr sein, als unser Verbündeter die Wache wieder übernahm. Er sprach nur kurze Zeit mit uns. Er hatte seine Gesinnung nicht geändert und teilte uns mit, daß nach ihm einer kommen werde, dem es zu gönnen sei, daß er wegen unserer Flucht bestraft werde.
    „Und wann werden wir den Maijeh erreichen?“ fragte ich.
    „Kurze Zeit nachdem meine Wache zu Ende ist“, antwortete er. „Das paßt vortrefflich für unsere Absichten. Ich werde da gleich mit an das Land gehen, und wenn etwas Unerwartetes geschehen sollte, so kann ich euch warnen. Übrigens liegen eure Waffen bei Ibn Asl in der Vorkajüte.“
    Die Zeit verging, und er wurde abgelöst. Wir sprachen leise miteinander. Sein Nachfolger hörte es, öffnete die Tür und schlug mit der Peitsche herein, die er sich zu diesem Zweck mitgebracht hatte. Dabei ließ er es an ‚Giaurs‘ und ‚Christenhunden‘ nicht fehlen. Nun, dem Mann sollte meine Anerkennung recht bald werden. Kurze Zeit später ertönten laute Kommandorufe über uns; wir hörten Taue über das Deck streifen; man nahm die Segel ein. Der Maijeh mußte sich also in der Nähe befinden. Dann vernahmen wir das Knarren der Stemmbäume gegen die Bordkanten. Man schob das Schiff aus dem Fluß in den Maijeh.
    Ich erhob mich und sah hinaus. Es war ganz dunkel; ich konnte den Himmel nicht erkennen. Das Schiff befand sich also schon unter den Wipfeln der Bäume des Maijeh. Dann aber wurde es hell. Ein Feuer brannte am Ufer, und bei demselben stand ein Mann, welcher rief:
    „Hierher! Werft das Tau herab; ich winde es um den Baum.“
    Man hielt es für überflüssig, den Anker fallen zu lassen. Es wurde vielmehr vom Vorder- und Hinterteil je ein Tau ausgeworfen, mit denen man das Fahrzeug ganz ans Ufer ziehen und dort an zwei Bäume befestigen konnte. Zu diesem Zweck wurde, als das Vorderteil angehängt war, die Leiter hinabgelassen, über welche mehrere Männer an das Land stiegen.
    Die Wand, an welcher ich lehnte, lag nach dem Ufer zu, so daß ich, wenigstens so weit mein enger Gesichtskreis reichte, sehen konnte, was dort geschah. Das übrige mußte ich erraten. Als das Schiff vollständig fest lag, gingen auch die andern an das Land. Es stand zu erwarten, daß Ibn Asl dies auch tun, uns aber vorher noch einen Besuch abstatten werde. Darum ließ ich mich wieder niedergleiten. Kaum war dies geschehen, so knarrte die Stiege, die Lampe wurde angesteckt, und ich hörte seine Stimme:
    „Nun, ist alles in Ordnung?“
    „Alles“, antwortete der Wächter. „Die Hunde bellten miteinander, da habe ich sie mit der Peitsche zu Ruhe gebracht.“
    „Recht so! Hau nur tüchtig zu!“
    Er öffnete die Tür, leuchtete mit der einen Hand herein, untersuchte mit der andern meine Fesseln und sagte dann, mir höhnisch zugrinsend:
    „Jetzt werde ich mit dem Mann sprechen, und euer Schicksal wird sich entscheiden. Mache dich gefaßt! Deine Martern beginnen schon am heutigen Abend.“
    „Du redest wie ein Kind“, antwortete ich. „An meinem Schicksal kannst du nichts ändern. Es hat sich schon entschieden. Du vermagst uns nichts anzuhaben.“
    Er schlug ein lautes Gelächter auf und rief:
    „Die Angst hat dich verrückt gemacht! In einer Stunde wirst du anders singen.“
    „Du hast heute erfahren, wie es denen ergeht, welche mich singen machen wollen.“
    „Das konnte nur einmal geschehen; zum zweitenmal wird es dir aber nicht gelingen.“
    Er verriegelte die Tür, löschte die Lampe aus und ging. Ich stand auf und blickte wieder hinaus. Man schnitt das am Ufer wachsende Schilf ab, um Lagerplätze zu gewinnen, und brannte noch einige Feuer an. Ich konnte sie zwar nicht sehen, vermutete

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