28 Minuten
Müdigkeit anhören.
Resnick blieb noch ein paar Stunden, dann hatte er nichts mehr zu tun, und ging, nachdem er abgewartet hatte, ob in den Elf-Uhr-Nachrichten irgendwelche Hinweise auf den Toten kamen. Es kamen keine. Auf dem Weg nach Hause nahm er sich etwas vom Chinesen mit.
Kurz vor zwölf betrat er seine Wohnung, stellte das Essen in die Mikrowelle und machte es wieder warm. Nachdem die Mikrowelle geklingelt hatte, kippte er das Essen auf einen Teller und trug ihn hinüber an einen kleinen dunklen Holztisch, der schon seinen Eltern gehört hatte. Als Brian noch am Leben gewesen war, hatte Resnick es nie abwarten können, nach Hause zu kommen, um mit Carrie und seinem Sohn zu Abend zu essen. Jetzt war es der Teil des Tages, den er am meisten fürchtete.
Er wollte aufgegessen haben, bevor die Erinnerungen an die Vergangenheit sich breitmachten, aber seine Gedanken schweiften ab. Er dachte an Carrie und wie glücklich sie immer gewesen war. Dann hatte sie immer ihr schönstes Lächeln aufgesetzt, manchmal brachte sie damit sein Herz fast zum Stillstand.
Es war über zehn Jahre her, dass er dieses Lächeln gesehen hatte. Erschrocken stellte er fest, dass es auch fast schon fünf Jahre her war, seit er das letzte Mal von ihr gehört hatte. Sie hatte angerufen, um sich zu erkundigen, wie es ihm ging, und daraufhin geschworen, es nie wieder zu tun. Bislang hatte sie Wort gehalten.
An diesen Anruf zurückzudenken war ihm unangenehm. Das Letzte, was sie ihm gesagt hatte, war, dass sie nicht mit seiner »ewigen Flucht vor Brians Tod«leben konnte. Gedankenverloren fuhr er mit dem Daumen über den Tischrand, bis er eine kleine Scharte spürte. Brian war damals vier gewesen. Resnick erinnerte sich noch an sein diebisches Grinsen, nachdem er mit seiner Gabel in den Tisch geritzt hatte. Sein Sohn war ungeheuer stolz auf sich und wartete nun auf eine Reaktion des Vaters. Und sosehr Resnick sich auch bemüht hatte, Brian zurechtzuweisen, brachte er es, so, wie der Junge ihn anschaute, doch nicht fertig. Am Ende fing er an zu lachen, woraufhin Brian wie verrückt kicherte.
Resnick sprang auf und begann in seiner Wohnung auf und ab zu laufen. Er musste sich bewegen. Er lief durch die Wohnung, die nichts weiter zu bieten hatte als leere Wände, keine Fotos oder andere persönliche Dinge. Abgesehen von ein paar Büchern, gab es nichts, das darauf hindeutete, dass er hier lebte.
Die Enge in seiner Brust nahm ab. Er konnte wieder atmen. Der Drang, auszugehen und ein paar Drinks zu kippen, überkam ihn. Aber er kämpfte dagegen an. Manchmal ging er nach der Arbeit etwas trinken, aber er wusste, wenn er jedes Mal trinken ging, sobald ihm danach war, würde er jeden Abend losziehen. Es bestand ein ernsthaftes Risiko, dass er Alkoholiker wurde, und das durfte er einfach nicht zulassen. Die Arbeit als Detective half ihm, sich zu abzulenken. Fast jede Woche arbeitete er sieben Tage durch, normalerweise blieb er auf der Wache, bis er vollkommen erschöpft war. Dann konnte er nach Hause gehen und einschlafen, ohne ins Grübeln zu verfallen.
Und ohne sich Sorgen machen zu müssen, dass er sich in Erinnerungen an Brian verlor ...
Petrenko hatte mehr als drei Stunden auf den schweren Sandsack eingeschlagen, um die Energie rauszulassen, die ihn rastlos machte. Aber es half nichts. Was konnte er sonst tun? Dasitzen und warten? Obwohl seine Arme schwerer als Zement waren, wiederholte er dieselbe Kombination wieder und wieder. Gerade, Gerade, Haken. Gerade, Gerade, Aufwärtshaken. Er versuchte, sich ausschließlich auf die Beinarbeit und die Bewegungen des Körpers zu konzentrieren, aber die Wut durchbrach immer wieder seine Konzentration. In den Elfuhrnachrichten war gemeldet worden, dass Zeugen ausgesagt hätten, Männer aus dem Mittleren Osten seien an dem Überfall beteiligt gewesen. Diese Nachricht goss bloß weiteres Öl ins Feuer. War er etwa blöd? Nichts als ein bescheuerter mudack ? Als Resnick ihm von dem Überfall erzählt hatte, war ihm sofort klar gewesen, dass diese Araber dahintersteckten. Es war kein Zufall, dass sie sich an ihn gewandt hatten. Sie verkauften ihm die Diamanten, und am nächsten Tag klauten sie die Steine und machten sich auf seine Kosten einen Riesenspaß.
Er musste diese Araber in die Finger kriegen. Hoffentlich waren sie dumm genug gewesen, die Aktentasche zu behalten, die er ihnen gegeben hatte, ohne auf das Ortungsgerät darin aufmerksam zu werden. Neben dem Inhalt der Schließfächer besaß er noch
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