28 Minuten
sollte. Irgendwann mussten die Lügen mal aufhören. Wie viele davon konnte man aufeinanderstapeln?
Nachdem er sich eine passende Geschichte überlegt hatte, wartete er, bis er den Mumm beisammen hatte, sich zu erheben und Carol weitere Lügen zu erzählen.
24
Gleich morgens um sieben hielt Resnick vor Petrenkos Haus. Er goss sich schwarzen Kaffee aus der Thermoskanne ein und überflog die Zeitungsberichte über Lombardo und Gordon Carmichael. Danach las er Carmichaels Nachruf.
Wie vermutet war er ein Einzelgänger ohne Frau und Kinder. Die einzigen Familienmitglieder, die erwähnt wurden, waren seine Eltern, die in Greenwich, Connecticut lebten. Im Nachruf stand mehr über Carmichaels Vater, einen ehemaligen Industriellen, als über den Toten – erwähnt wurde lediglich, dass Carmichael Junior in Vietnam gedient hatte, zwei Purple Hearts trug und nach seinem Wehrdienst und einem Studium in Yale als Programmierer für etliche Firmen arbeitete, von denen Resnick noch nie gehört hatte.
Kurz nach zehn fuhr ein silberner Mercedes in Petrenkos Auffahrt. Ein kräftig gebauter Mann, etwa einssiebzig, stieg aus. Er war Ende dreißig, hatte kurz geschnittene blonde Haare und eine Nase, die fast quer zu seinem Gesicht zu stehen schien. Resnick erkannte ihn, er hatte ihn schon häufiger mit Petrenko zusammen gesehen, unter anderem in dem russischen Restaurant. Der Mann starrte zu Resnick hinüber, bevor er zur Haustür ging. Es waren über fünfundzwanzig Grad im Schatten, und er trug eine Lederjacke, woraus Resnick schloss, dass der Russe wahrscheinlich eine Waffe bei sich hatte. Er überlegte, ob er ihn deswegen verhaften sollte, entschied sich aber, sitzen zu bleiben und abzuwarten, was der Tag noch so brachte.
Zehn Minuten später verließ Petrenko in Begleitung des Mannes das Haus. Auch er schaute Resnick ungerührt an, bevor er sich abwandte. Der Mercedes setzte zurück, und Resnick gab sich keine Mühe zu verbergen, dass er ihm folgte.
Sie fuhren nach Boston. Am Government Center bog der Mercedes Richtung North End ab. In der Hanover Street blieb er stehen. Petrenko stieg aus, ging zügig in die Richtung, aus der sie gekommen waren, und nickte Resnick im Vorbeigehen zu.
Resnick saß fest. Die Straße war zu eng, als dass er den Wagen abstellen könnte, ohne den gesamten Verkehr zu blockieren. Er konnte jetzt zocken, die Hanover Street zurückfahren und darauf hoffen, dass Petrenko zurückkäme. Aber danach sah es nicht aus. Stattdessen blieb er an dem Mercedes dran. Er wusste, der Fahrer war Petrenkos Bodyguard, und bezweifelte, dass Petrenko ohne ihn Geschäfte machen würde.
An der nächsten Ecke hielt der Mercedes abrupt an und Resnick musste voll auf die Bremse treten, um ihm nicht hinten reinzufahren. Die Fahrertür wurde geöffnet, der Dicke stieg aus, und ein Mann, der auf dem Bürgersteig gewartet hatte, setzte sich ans Steuer. Resnick hatte immer noch keinen Platz, um zu halten. Im Vorbeijoggen warf der Russe ihm einen Blick zu. Resnick blieb nichts anderes übrig, als dem Mercedes zu folgen, obwohl ihm klar war, dass er Petrenko, wenn überhaupt, dann erst nach getaner Tat wieder aufsammeln würde. Missmutig bewunderte er das Manöver, mit dem Petrenko ihn ausgetrickst hatte. Er nahm sich vor, den Mann nie wieder zu unterschätzen.
Joel war überrascht, als er ans Telefon ging und sein Onkel Hymie zu erfahren forderte, in was für einen Mist er denn da geraten war.
»Beruhige dich, Onkel Hymie.«
»Komm mir nicht so!« Es folgte ein Schweigen, dann flüsterte der alte Mann: »Es ist eine Belohnung ausgesetzt für Informationen über ungeschliffene Diamanten. Und willst du wissen, wer diese Belohnung anbietet?«
Joel machte sich nicht die Mühe, zu antworten. Er wartete ab, bis sein Onkel ihm sagte, dass es Viktor Petrenko war.
»Ich habe mich nach ihm erkundigt«, fuhr sein Onkel fort. »Er ist ein Gangster, ein gefährlicher Mann. In Russland hat er für den KGB Leute verhört. Weißt du, was das heißt, Joel? Hast du irgendeine Vorstellung davon, wen du bestohlen hast?«
»Ich weiß nicht, was du da redest. Ich habe nichts gestohlen.«
»Du lügst mich an? Glaubst du, ich bin so meschugge , dass ich dir diesen Unsinn abkaufe? Was ist mit dir los, meinst du, du könntest dich mit einem Tier wie Petrenko anlegen? Hast du überhaupt noch ein letztes bisschen Verstand?«
»Komm mir jetzt nicht so. Ich habe mich von Pop nicht belehren lassen und lasse es mir auch von dir nicht gefallen!«
Joel
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