28 Tage lang (German Edition)
Schmugglerbande anschließen.»
Ruth verschluckte sich am Champagner.
Während sie hustete, fragte ich: «Kannst du mich jemandem vorstellen, mit dem ich darüber reden kann?»
Sie zögerte.
«Bitte.»
Ruth hielt mein Ansinnen ganz offensichtlich für keine gute Idee. Höchstwahrscheinlich war es auch keine.
«Aus Freundschaft», bat ich dennoch.
Ich war der einzige Mensch aus ihrem alten Leben, der noch mit ihr sprach, und sie wollte nicht auch noch mich als Freundin verlieren. So antwortete sie: «Aus Freundschaft.»
10
Schmul Ascher trug einen Schnurrbart, der so dicht war, dass sich Mäuse in ihm hätten verstecken können. Sein Gesicht war von Narben gezeichnet. Bei einem gewaltigen Kerl wie ihm wusste man, dass die Männer, die ihm diese Narben beigebracht hatten, von ihm noch viel übler zugerichtet worden waren. Vermutlich lebten sie schon gar nicht mehr.
Ascher war der Anführer einer Diebes- und Schmugglerbande namens Chompe, und Ruth war seine liebste Hure, ja, angeblich liebte er sie sogar, wie sie mir einmal voller Stolz erzählt hatte, was mich unangenehm berührte. Einerseits weil sie so leichtgläubig war. Und andererseits weil Ascher und so viele andere Freier minderjährige Mädchen bevorzugten.
Ich war allerdings nicht von der Sorte minderjähriges Mädchen, auf die Ascher stand, dafür war ich ihm zu knochig. Wir saßen an einem Tisch in der Ecke des Barbereiches, Ascher mit dem Rücken zur Wand wie die Desperados in den Western, die immer befürchten mussten, dass jemand ihnen in den Rücken schießt.
Die Sängerin trank immer noch an der Bar, der Klavierspieler klimperte leise vor sich hin, und Ruth rutschte auf Aschers Schoß hin und her, dabei schmiegte sie ihre Wange an die seine. Der massige Mann nahm von ihren Liebkosungen kaum Notiz und fragte mich: «Wie soll jemand wie du mir helfen?»
«Ich hab Erfahrungen als Schmugglerin», erwiderte ich, leider viel unsicherer, als ich wollte.
«Was für Erfahrungen?», fragte er.
Ruth sah mich angsterfüllt an. Wenn ich Ascher jetzt von dem Friedhof berichtete, würde er wissen, dass sie mir eine seiner Schmuggelrouten verraten hatte. Und das wäre gefährlich für Ruth.
Ihre Angst übertrug sich auf mich. Ich fasste die Tischdecke an, meine Finger glitten über kleine Brandlöcher, ertasteten Krümel von Essensresten, und ich wurde wieder ein klein wenig ruhiger.
«Ich klettere über die Mauer», log ich, war ich in Wahrheit doch noch nie über die Mauer geklettert.
Ruth konnte man die Erleichterung, dass ich sie nicht verraten hatte, ansehen.
Ascher bekam ihre Reaktion nicht mit, genauso wenig, dass Ruth nun noch intensiver mit ihm schmuste; seine Augen waren weiter auf mich fixiert: «Wo kletterst du denn?»
«Meistens Stawki, nah der Pokorna», log ich weiter.
«Es gibt ungefährlichere Stellen», antwortete er.
«Es gibt gar keine ungefährlichen Stellen mehr», erwiderte ich.
«Die ungefährlichen Stellen sind dort», widersprach Ascher, «wo wir die Wachen bestochen haben.»
«Und eben weil ihr das habt und ich nicht mehr allein schmuggeln kann, will ich zu euch», erklärte ich wahrheitsgemäß.
«Es ist ganz schön mutig von dir, hier einfach reinzuspazieren und einen Platz in meiner Bande zu fordern.»
Weder konnte ich am Tonfall seiner Stimme erkennen noch in seinem Gesicht ablesen, ob er von diesem Mut beeindruckt war oder sich von meinem Verhalten beleidigt fühlte.
«Wir können noch jemanden gebrauchen. Ich hab in der letzten Woche ein paar Leute verloren.»
Er sagte «ein paar», mir war jedoch klar, dass er damit «einen Haufen Leute» meinte. Einerseits erhöhte das meine Chancen, von ihm Arbeit zu bekommen. Andererseits flößte mir es Respekt, nein, sogar Furcht ein. Selbst als Mitglied der berüchtigten Chompe-Bande war es nicht mehr einfach, als Schmuggler zu überleben.
«Aber», fragte Schmul, während der Kellner ihm eine Tasse pechschwarzen Kaffees hinstellte, «warum sollte ich ausgerechnet dich in meine Bande aufnehmen?»
«Weil ich gut bin», erwiderte ich.
«Dafür halten sich viele andere auch. Nenn mir noch einen Grund.»
Ich suchte nach einem weiteren, mir fiel aber einfach keiner ein. Was hatte ich einem Verbrecherboss schon groß zu bieten?
«Weil», mischte sich Ruth ein und streichelte dabei Aschers Wange, «ich dann ganz besonders lieb zu dir bin.»
«Das musst du auch so sein», kam es zurück.
«Aber wenn ich es aus Liebe tue, ist es noch schöner für dich.»
Das
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