28 Tage lang (German Edition)
Liste der Arbeiter gesetzt, die den Übergang in den polnischen Teil passieren durften, und überreichte uns frühmorgens unsere gefälschten Arbeitsbescheinigungen. So gingen wir mit ihm durch die leeren Straßen. Dabei kreuzte eine halb verhungerte Katze unseren Weg. Eine schwarze.
«Bringt Glück», grinste Amos mich an.
«Idiot», gab ich zurück.
«Ich weiß», grinste er noch breiter.
Schweigend gingen wir weiter zu ungefähr dreißig Arbeitern, die an einer Straßenecke auf uns warteten und nicht gerade begeistert waren, uns zu sehen, denn unsere Anwesenheit war für sie sehr gefährlich. Bei ihren kleinen Schmuggeleien drückten die deutschen Soldaten gerne ein Auge zu, wenn sie denn einen Anteil abbekamen, Ghettokämpfer jedoch wurden sofort erschossen. Und wo Kugeln flogen, konnten auch unschuldige Zwangsarbeiter getroffen werden.
Allerdings würden diese Männer nicht wagen, uns zu verraten. Dafür hatten sie zu viel Angst vor dem ŻOB . Viel mehr Sorgen bereitete es mir, bei einer eventuellen Leibesvisitation aufzufliegen, denn Mordechai hatte mir eine wichtige Depesche mitgegeben. Einen Bericht für den polnischen Widerstand, in dem er genau auflistete, was die Führer des ŻOB von unseren polnischen Kameraden an Waffen und Unterstützung forderten. Diesen Bericht hatte ich in meinem Strumpf unter der Fußsohle versteckt. Als ich ihn da am Morgen reingestopft hatte, musste Amos grinsen: «Beim Lesen werden unsere polnischen Kameraden Käse riechen.»
Diese Bemerkung war so dumm gewesen, dass ich sie nicht mal mehr mit einem «Idiot» kommentierte.
Da der Arbeitstrupp routinemäßig in den polnischen Teil der Stadt ging und unsere gefälschten Papiere einen guten Eindruck machten, war die Gefahr, entdeckt zu werden, nicht sonderlich groß. Dennoch war ich nervös. Wer wäre das in dieser Situation nicht gewesen?
Amos offensichtlich.
Der hatte sogar ein freundliches Lachen über für die anderen Arbeiter, von denen niemand scharf darauf war, direkt neben uns zum Żelazna-Tor zu gehen. Dort angekommen, mussten wir vor vier SS -Männern halten. Ein dicker Deutscher mit einem Gesicht, das Menschen in seiner Heimat vielleicht als gemütlich empfunden hätten, las die Liste mit den Arbeiternamen vor, auf die Kamerad Tuchner uns gesetzt hatte: «Jurek Polesch, Shimon Rabin, Amos Rosenwinkel, Mira Weiss …»
Wir meldeten uns, als unsere Namen fielen, doch während die anderen Arbeiter durch das Tor gelassen wurden, winkte mich der Dicke zu sich. Selbstverständlich fragte ich nicht, wieso er das tat. Es wäre töricht gewesen, einen Deutschen von sich aus anzusprechen. Töricht und gefährlich. Eine Ohrfeige war in so einem Fall das mindeste, ein Schlag mit der Gerte das Wahrscheinlichste, eine Kugel nicht ausgeschlossen.
Der Dicke deutete auf das Wachhaus und befahl mir: «Da rein!»
Ich blickte noch einmal zu Amos, der nicht mehr tun konnte, als mir mit einem Blick Mut zu geben. Ich machte mich auf zum Wachhaus. Dem dicken Mann ging ich anscheinend nicht schnell genug, denn er schubste mich. Nicht so stark, dass ich das Gleichgewicht verlor, nur eben so, dass ich schneller ging.
Hastigen Schrittes betrat ich die karge Stube, in der ein Tisch, ein Stuhl und ein Schrank standen und in der es an diesem Märztag mit Temperaturen um den Gefrierpunkt nicht wesentlich wärmer war als draußen. Kaum waren wir beide drin, schloss der Dicke die Tür, nahm seine Gerte in die Hand und befahl auf Deutsch: «Ausziehen.»
Vor lauter Angst reagierte ich nicht sofort. Der Mann hob die Gerte, drohte, mit ihr zuzuschlagen, und verlangte noch mal: «Ausziehen.»
Ich zog die Jacke aus.
Und die Hose.
Ich stand nun in Unterwäsche und Strümpfen vor ihm und hoffte, er würde nicht noch mehr verlangen, dass er auch so sehen würde, dass ich keine Schmuggelware dabeihatte. Nicht nur, dass es schon erniedrigend genug war, halbnackt vor diesem Schwein zu frieren, er durfte vor allen Dingen nicht den Brief an den polnischen Widerstand, der sich im linken Strumpf befand, entdecken.
Wenn ich eine gute Kämpferin gewesen wäre, hätte ich ausschließlich Angst um diesen Brief gehabt, da er für unsere Sache so wichtig war. Fiel er in die Hände der Deutschen, würden sie erfahren, wie schlecht wir Widerständler bewaffnet waren, und wohl das kleine bisschen an Furcht, das wir ihnen eingeflößt hatten, wieder verlieren. Ich aber hatte einfach nur Angst, in ein deutsches Gefängnis geworfen zu werden, in dem die SS weitere
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