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28 Tage lang (German Edition)

28 Tage lang (German Edition)

Titel: 28 Tage lang (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Safier
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vermutete, Neid, dass ich anstatt ihrer in den Kampf gegangen war und sie im Gegensatz zu mir noch keinen Deutschen getötet hatte. Dabei hätte ich gerne nachträglich mit ihr getauscht, wenn so etwas möglich gewesen wäre. Wenn ich wie der Held in dem Roman von H.G. Wells eine Zeitmaschine gehabt hätte, wäre ich mit Esther gemeinsam in die Vergangenheit geflogen und hätte es ihr überlassen, den Deutschen zu töten. Dann hätte sie meinen Heldenstatus gehabt, und ich würde nicht immer noch, vier Wochen nach der Tat, von Albträumen geplagt. Oder – viel besser – ich wäre mit der Zeitmaschine noch weiter zurück in die Vergangenheit gereist und hätte Hannah gerettet, meine Mama, meinen Papa ebenfalls und auch noch dafür gesorgt, dass Simon nie der Judenpolizei beigetreten wäre. Am besten, ich wäre gleich noch sehr viel weiter zurückgeflogen und hätte Hitler getötet, als der noch ein kleines Kind war. Das wäre jemand gewesen, den ich sehr, sehr gerne umgebracht hätte. Und wegen dieses Mordes hätte ich garantiert keine schlechten Träume gehabt.
    Ich sagte zu Ben Rothaar, in Gedanken würde ich ihn wohl immer Rothaar nennen: «Wir unterhalten uns später.»
    Dabei wusste ich gar nicht genau, worüber ich mit ihm beim nächsten Male reden sollte. Über Hannahs Tod? Sollte ich ihm schildern, wie sie in ihrem eigenen Blut dagelegen hatte? Dann würde er wieder weinen müssen und ich mit ihm. Obwohl … vielleicht wäre es sogar schön, wenn ich meinen Schmerz mit jemandem teilen könnte. Vielleicht könnte ich so Trost finden. Zumindest ein klein wenig.
    Gemeinsam mit Esther ging ich die Treppen vom Keller hoch zur Wohnung, dabei sagte sie: «Ich glaube nicht, dass uns Jungen wie er weiterhelfen können.»
    «Das hast du von mir auch gedacht», erwiderte ich.
    Esther widersprach mir nicht.
    «Und ich habe auch noch 100000 Złoty Bestechungsgeld gekostet», ergänzte ich frech.
    «Die für Zacharia bestimmt waren», erwiderte sie, und in ihren Augen blitzte so etwas wie Hass auf.
    Ich hätte meine Klappe halten sollen. Sie hatte mir immer noch nicht verziehen, dass Amos mich vom Umschlagplatz mitgenommen hatte und nicht ihren Kameraden. Was sollte ich ihr darauf antworten? Ja, ich fände es auch besser, wenn ich statt Zacharia im Ofen gelandet wäre?
    Ich sagte nichts dergleichen und verteidigte stattdessen weiter meinen Ben Rothaar: «Er wird besser kämpfen als viele andere. Ben hätte es sich auch einfach machen können und bei seinem Judenratsvater bleiben können. Das zeigt doch, wie stark sein Wille ist.»
    Esther ging nicht darauf ein, als ob sie es für unnütz hielte, weiter mit mir über den Jungen zu reden. Dabei war sie es doch gewesen, die damit angefangen hatte, wohl auch, so begann ich zu vermuten, weil sie erkannt hatte, dass mich etwas mit Ben verband und sie mich mit ihren Zweifeln an seinen Fähigkeiten hatte verletzen wollen.
    Sie stieß die Tür zur Wohnung auf. Ich überlegte mir, ob ich sie fragen sollte, was sie eigentlich von mir wollte, aber ich ließ es bleiben. Ich würde es schon noch früh genug erfahren. Wenn wir nicht miteinander sprachen, konnten wir uns wenigstens nicht streiten.
    Wir gingen in die Küche, und dort saßen an einem Tisch, der neben der Druckerpresse stand, Amos, dessen Fleischwunde am Arm inzwischen wieder verheilt war, und Mordechai. Der Anführer des ŻOB stand auf und umarmte mich wie eine alte Gefährtin. Die war ich für ihn ja auch, streng genommen. Gemeinsam hatten wir den Deutschen den ersten Schlag zugefügt. Dennoch fühlte es sich merkwürdig an, von ihm als gleichwertig angesehen zu werden, denn selbst wenn er das so empfand, wusste ich doch, dass es ganz anders war. Mordechai hatte bei der Schießerei viel mutiger und entschlossener gehandelt als ich. Vor meinem geistigen Auge sah ich wieder, wie er mit der Pistole direkt auf die Soldaten zuging und auf sie schoss. Ein entschlossener Mann, mutig in der Tat. Inspirierend im Wort. Jemandem wie ihm würde ich niemals ebenbürtig sein.
    Vor ein paar Wochen noch hatte ich mich noch nicht einmal getraut, Mordechai anzusehen, geschweige denn, ihn anzusprechen; jetzt musste ich mich bemühen, seine Umarmung zu erwidern, um nicht unhöflich zu wirken. Nachdem er sich von mir löste, kam er auch gleich zur Sache: «Wir brauchen mehr Waffen.»
    «Weniger ist ja wohl kaum möglich», scherzte Amos.
    Mordechai lächelte leicht, Esther verzog keine Miene, und ich trat nervös von einem Fuß auf den

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