281 - Bausteine des Lebens
keine Erklärung dafür.«
»Was sollen wir jetzt tun?«, fragte Teggar frustriert. Sie waren am Ziel ihrer Reise, und anstatt ein Rätsel zu lösen, wurden sie mit neuen Geheimnissen konfrontiert. Der Chiiftan brauchte Zeit zum Nachdenken. Und seine Leute benötigten nach der langen Reise eine längere Pause. Hier hatten sie ein ganzes Dorf zur Verfügung, das noch ziemlich intakt aussah und in dem niemand zu wohnen schien. Sie konnten sich ins gemachte Nest setzen.
»Wir bleiben vorerst hier!«, entschied er. »Die Steinmenschen sammeln wir ein und stellen sie in eine Scheune, damit sie uns nicht im Weg stehen.« In Wahrheit waren sie ihm unheimlich; er fühlte sich von ihnen beobachtet. Gruselig, das Ganze …
»Und die Unsterbliche?«, fragte Ruuk. Man konnte ihm ansehen, wie wenig begeistert er von dem Plan war. »Sie ist nicht hier!«
»Womöglich ist sie das doch…«, meinte Mecloot und klopfte einer der Statuen auf die Schulter. »Vielleicht kann sie es uns nur in ihrem derzeitigen Zustand nicht sagen…«
***
Corkaich, Ende August 2526
Vorsichtig öffnete Pita das Scheunentor und trat ins Halbdunkel der dahinter liegenden Halle. Der Alte hasste es, hier hinein zu müssen. Es war dunkel und stickig, die Hitze des Sommers staute sich unter den Dachgiebeln und drückte die Luft im Inneren des Holzgebäudes zusammen, sodass sie zum Schneiden dick war.
Außerdem war es unheimlich, denn sie waren hier. Die unheimlichen Statuen, die sie bei ihrer Ankunft im Dorf vor etwa einem Mond vorgefunden hatten.
Es war vollkommen verrückt, aber inzwischen zweifelte niemand mehr daran, dass sie die versteinerte Gemeinschaft darstellten, die hier gelebt hatte. Irgendetwas hatte sie erstarren lassen, mitten in der Bewegung. Ein Angreifer? Die Furcht, die aus fast jeder der Statuen sprach, ließ es vermuten.
Ruuk hatte die Theorie geäußert, die Menschen seien mit einer Schicht aus hart gewordenem Sand überzogen. Um das zu überprüfen, hatte er sich Hammer und Meißel geschnappt und an einer Figur herumgeklopft - bis dieser ein Arm abgefallen und in tausend Stücke zersprungen war. Ruuk war so wütend geworden, dass er die gesamte Statue umkippte. Die Bruchstücke hatte er über die Steilküste hinab an den Strand und ins Meer geschleudert.
Trotz des ungelösten Rätsels waren sie übereingekommen, erst einmal hier zu bleiben. Das Dorf lag ein wenig isoliert direkt an der Steilküste, aber es war umgeben von grünem Land und saftigen Wiesen, auf denen sowohl Vieh gehalten als auch Getreide und Gemüse angepflanzt werden konnte. Damit war es ungleich besser als ihr Dorf am See, das nur über begrenzte Ressourcen verfügte.
Und außerdem war da immer noch das Geheimnis der Unsterblichen. Was war mit der Frau geschehen? War sie ebenfalls zu Stein erstarrt? Es waren drei Frauen unter den Statuen, die sich durch einen feineren Körperbau und größeren Wuchs von den anderen unterschieden - aber niemand konnte sagen, ob die Gesuchte darunter war.
Einige vermuteten auch, die Unsterbliche hätte das Dorf verlassen, würde aber ab und an zurückkehren, um nach ihren versteinerten Gefolgsleuten zu sehen. Darauf setzte auch Chiiftan Teggar seine Hoffnungen.
So hatten sie die steinernen Bewohner des Dorfes mit vereinten Kräften in die große Gemeinschaftsscheune geschafft, in der auch das Werkzeug untergebracht war. Man hatte sich in den Häusern wohnlich eingerichtet und damit begonnen, die Felder zu bestellen und die Gärten zu pflegen.
Letzteres war auch der Grund, warum sich Pita jetzt in der Scheune aufhielt: Mecloot hatte ihm den Auftrag erteilt, drei weitere Schaufeln zu holen, damit mehr Leute beim Umgraben des großen Gemüsefeldes mithelfen konnten, dass sie neben dem Haus des Chiiftans anlegen wollten.
Pita ließ das große Tor offen stehen, damit ein breiter Lichtstreifen ins Innere fallen konnte. Der helle Strich teilte die Menge der Statuen diagonal in zwei Hälften. Hätte der alte Dörfler jemals von den Terrakotta-Kriegern eines chinesischen Kaisers gehört, hätte in der Anblick wohl daran erinnert.
Pita grunzte missmutig und entzündete seine Petrool-Lampe. Die Schaufeln lagen im rückwärtigen Teil der Scheune und er musste durch die Reihen der Steingestalten gehen, um an sie zu gelangen. Bis dort hinten aber reichte das Licht nicht.
»Los jetzt!«, machte er sich Mut und trat zwischen die Gestalten. Er versuchte den Blick streng geradeaus zu richten und nicht auf die Gesichter der Figuren zu
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