283 - Der Zorn der Königin
zurückgekehrt.
Doch warum verdächtigten sie ausgerechnet mich, mit ihm gemeinsame Sache zu machen? Hing das mit dem Besuch von Matt Drax zusammen? Was wusste der Commander über die Vorfälle in Guernsey? Und was nur kann er über mich erzählt haben?
Ein schepperndes Geräusch riss sie aus ihren Gedanken. Es wurde von Valery Heath verursacht, die mit einem Stift gegen ihre Blechtasse schlug. »Schluss jetzt!«, rief sie ungeduldig. Dabei warf sie den streitenden Männern einen strengen Blick zu. Als endlich Ruhe eingekehrt war, wandte sie sich wieder an die Ex-Queen. »Also gut. Was Sie uns über Guernsey und das tyrannische Verhalten Sir Leonards berichtet haben, klingt plausibel. Was Ihren angeblichen Gedächtnisverlust und Ihr Erwachen in einem Boot an der Südküste Britanas angeht, habe ich meine Zweifel. Ich glaube eher, dass Sie uns den wesentlichen Teil Ihrer Geschichte verschweigen wollen.«
An dieser Stelle legte Valery Heath eine Pause ein. Unter schmalen Lidern beobachtete sie die Queen.
Victoria Windsor fühlte den Blick auf sich brennen und fluchte innerlich. Die Erinnerungen, die nun mit Macht an die Oberfläche brachen, setzten ihr zu, und das konnte sie in dieser Situation nicht gebrauchen!
Ein Rauschen dröhnte in ihren Ohren, ihr war speiübel. Immer mehr Gedankenfetzen durchpflügten ihren Kopf: die Höhle, Matthew Drax… und Aruulas Geist, der sie in der Finsternis ihrer Seele besuchte.
Konnte das alles Realität sein, oder wurde sie wahnsinnig?
Die nächste Erinnerung: der Wahnsinn! In Victoria verfestigte sich immer mehr die Erkenntnis, zu dieser Zeit nicht mehr Herrin ihrer Sinne gewesen zu sein. Aruula hat mich retten wollen , fuhr es ihr durch den Kopf. Deshalb ist ihr Geist in mich gedrungen!
Die Lady griff sich an die pochenden Schläfen. »Ich will mich… nicht erinnern«, keuchte sie. »Ich will nicht!« Doch die Bilder drängten in ihren Kopf wie tosende Meereswellen: der Turm beim Techno-Dorf, Breedys Angriff und… die Schatten! »Die Schatten!« Von maßlosem Grauen ergriffen sprang Lady Victoria auf.
Sie wollte fliehen. Doch der Raum um sie herum begann sich zu drehen. Ferne Stimmen wurden laut. Graue Schemen näherten sich. Dann gab der Boden unter ihren Füßen nach und sie fiel.
Sie merkte nicht mehr, wie Mars Hawkins sich über sie beugte und die entsetzte Valery Heath nach einem Arzt schicken ließ. Tiefer und tiefer glitt sie in erlösende Dunkelheit, in der kein Schatten dieser Welt ihr mehr folgen konnte.
***
Zwei Tage später, Ostküste Britanas
Ein Orkan tobte über die Nordsee vor der Ostküste Britanas. Gnadenlos trieb er den Amphibienpanzer durch die aufgewühlte See, als wäre der Tank ein Kinderspielzeug. Matthew Drax hatte das Schutzvisier vor dem Sichtfenster hochgefahren und starrte besorgt auf die Kameraübertragung der unwirklichen Umgebung. Der Horizont war nicht mehr zu sehen; das Meer schien mit dem schwarzen Himmel verschmolzen. Überall nur dunkle Wellentürme, die in unregelmäßigen Abständen wie wütende Untiere über den Panzer herfielen.
Den Abstecher nach London hatte Matt sich einfacher vorgestellt: im Bootsmodus immer die Ostküste entlang. Als das Unwetter sie überraschte, waren sie bereits auf Höhe von Scarborouhg gewesen. Jetzt manövrierte er PROTO, wie Aruula ihr Gefährt getauft hatte, schon den zweiten Tag durch das Chaos aus Wasser und Sturm. Bei diesem Seegang die Küste anzusteuern wäre lebensmüde gewesen.
Mit finsterem Blick wandte er sich wieder dem Navigationscomputer zu. Laut vorliegenden Daten mussten sie auf Höhe der Bucht The Wash sein. Der Abstand zur Küste hatte sich nur unwesentlich vergrößert. »Wenigstens etwas«, brummte Matt. Geduldig tippte er die Koordinaten für eine Kurskorrektur ein. Seine Augen brannten vor Müdigkeit. Die Glieder fühlten sich taub an. Seit der Nacht in Canduly Castle vor ihrem Aufbruch hatte er nicht mehr geschlafen. Sehnsüchtig blickte er auf den roten Schalter für den Autopiloten. Doch daran war im Augenblick nicht zu denken.
In regelmäßigen Abständen musste er die Kursabweichungen registrieren und korrigieren, damit der fünfzehn Meter lange und knapp sieben Meter breite Koloss nicht ins Nirwana abtrieb. Der blonde Mann seufzte. Wenn Xij nicht so dermaßen durch den Wind wäre, hätte er ihr ausnahmsweise das Cockpit überlassen und sich eine Mütze Schlaf gegönnt.
Die junge Frau war technisch begabt. Sie hatte sich in den letzten Wochen mit der Computerkonsole
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