2884 - Im Netz der Spinne
rechnen. Das Polizeifahrzeug stellte sich an der nächsten Seitenstraße quer, um Miguel Sanchez den Weg abzuschneiden. Der Latino blieb einen Moment lang stehen, warf einen Blick über die Schulter nach hinten. Wir jagten auf ihn zu.
Die Haare standen dem Verbrecher wirr vom Kopf ab. Seine Gesichtsmuskeln zuckten nervös. Er zog eine Pistole unter seiner Windjacke hervor.
»Waffe weg, Sanchez!«, rief ich. »Auf die Knie! Hände hinter den Kopf! Sie haben keine Chance!«
Phil und ich hielten nun ebenfalls unsere SIGs in den Händen. Wir wollten uns schließlich nicht abknallen lassen. Sanchez machte auf mich nicht den Eindruck eines eiskalten Killers. Doch es waren immer noch unbeteiligte Passanten in Schussweite, obwohl sich die meisten schnell aus dem Staub machten. Doch es gab einige Unbelehrbare, die sogar mit ihren Handykameras die Szene filmten.
Auch die Cops waren aus ihrem Streifenwagen gestiegen und näherten sich mit gezogenen Waffen.
»Verschwindet!«, kreischte Sanchez in meine Richtung. »Warum lasst ihr mich nicht endlich in Ruhe?«
Die Situation war brenzlig. Wir hatten den Verdächtigen eingekreist, aber ich wollte kein Blutvergießen. Sanchez erinnerte mich in diesem Moment an einen Sprengsatz, der kurz vor der Explosion steht. Ein Funke genügte, um ihn hochgehen zu lassen. Ich gab den Cops ein Handzeichen, damit sie sich zurückhielten. Einen von ihnen kannte ich. Sergeant Abe Waters war ein erfahrener Beamter im Streifendienst. Er signalisierte mir mit einer Geste, dass er verstanden hatte.
»Noch ist niemand zu Schaden gekommen, Sanchez«, sagte ich ruhig zu dem Bewaffneten. »Legen Sie einfach Ihre Waffe weg und lassen Sie uns reden, einverstanden?«
Das Gesicht des Latinos war schweißbedeckt. Sein Blick flackerte. Ob er unsere Entschlossenheit spürte, ihn nicht davonkommen zu lassen? Ich wusste es nicht. Aber nach einer halben Minute ließ er wirklich seine Pistole fallen und hob langsam die Hände zum Kopf. Der Zeitraum war mir wie eine halbe Ewigkeit vorgekommen.
Ich behielt Sanchez wachsam im Auge, während Phil ihn nach weiteren Waffen durchsuchte. Doch mein Freund fand nichts Gefährliches in den Taschen des Verdächtigen. Endlich klickten die Handschellen um die Gelenke des Täters. Seine riskante Amokfahrt hatte ein gutes Ende gefunden.
***
Der Kofferraum des Subaru Impreza war vollgestopft mit originalverpackter Unterhaltungselektronik. Es war nicht schwer, die Herkunft dieser hochwertigen Handelsware herauszufinden. Anhand der Seriennummern konnten wir ermitteln, dass die Produkte aus einem Einbruch in Hoboken stammten. Dort war vor fünf Tagen das Warenlager einer Einzelhandelskette aufgebrochen und leergeräumt worden. Die Täter mussten die Tablet-PCs und anderen teuren Elektronikprodukte mit einem Truck abtransportiert haben. Die Fahndung des NYPD war bisher ergebnislos verlaufen.
Aber was hatte dieser Diebstahl mit den verschwundenen Kindern zu tun?
Wir konnten nur hoffen, dass uns Miguel Sanchez eine Antwort auf diese Frage geben würde. Eine Stunde nach seiner Verhaftung saß er bereits in einem Verhörraum an der Federal Plaza, mit einem Kaffeebecher vor sich. In der Zwischenzeit hatten wir herausgefunden, mit was für einer teuren Fracht er unterwegs gewesen war.
Ich stellte Phil und mich noch einmal offiziell vor und belehrte ihn über seine Rechte.
»Sanchez, wir haben unsere Zeit nicht gestohlen. Die Eltern sind krank vor Sorge. Je eher wir die ganze Wahrheit über den Verbleib der Kinder erfahren, desto positiver wird sich das auf Ihr Strafmaß auswirken.«
Mit dieser klaren Ansage wollte ich sofort auf den Punkt kommen. Doch der verhaftete Latino starrte mich an, als ob ich den Verstand verloren hätte.
»Was für Kinder? Ich habe keine Ahnung, wovon Sie sprechen. Was wollen Sie mir da anhängen, Agent Cotton?«
»Das FBI hängt niemandem etwas an. Merken Sie sich das, Sanchez. Wollen Sie behaupten, über den Verbleib von Lucy Bradshaw, Samuel Jackson und Eric Stanwell nichts zu wissen?«
»Ich habe keinen blassen Schimmer. Moment mal, das sind doch diese Kids, über die ständig in den Nachrichten berichtet wird, oder? New York scheint kein anderes Thema mehr zu kennen. Und Sie glauben, ich hätte meine Finger in dieser Sache drin? Mann, das ist ein riesiges Missverständnis.«
Man konnte Phils Stimme anhören, dass er Sanchez kein Wort glaubte. »Soso. Das können Sie Ihrer Großmutter erzählen, Sanchez. Und Luisa Rodriguez kennen Sie wohl auch
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