2885 - Flammen tilgen alle Spuren
Haustür, und Augenblicke später stand ein Mann vor uns. Ich wies mich aus.
»Special Agent Jerry Cotton vom FBI.« Ich zeigte, wie fast immer, auf Phil und ergänzte: »Das ist mein Kollege Phil Decker. Sind Sie Mister Angus Sharp?«
Er nickte. »Der bin ich. Kommen Sie herein.«
Das Haus war groß und geschmackvoll eingerichtet. Hier war nichts billig. Alles war vom Feinsten. Von oben bis unten. Das könnte ich mit meinem Salär nicht stemmen, überlegte ich und fragte Sharp, was er beruflich machte.
»Ich bin Broker«, gab Angus Sharp zur Antwort.
Phil ließ seinen Blick schweifen und meinte beeindruckt: »Sieht so aus, als würde Ihr Job ganz schön was abwerfen.«
»Er nährt seinen Mann«, erwiderte Angus Sharp bescheiden. »Es ist meine Aufgabe, im Auftrag von Kunden Effektengeschäfte auszuführen, und ich erhalte dafür eine entsprechende Vermittlungsgebühr. Außerdem erstelle ich für meine Kunden Analysen und Berichte zu einzelnen Unternehmen, Branchen und Märkten, um auf deren Basis Empfehlungen zu Wertpapieren anzubieten.« Er zog die Augenbrauen zusammen. »Ist ein Fulltime-Job«, bemerkte er dunkel. »Er hat mich meine Ehe gekostet.«
Sharp fragte, ob er uns etwas anbieten dürfe. Wir lehnten dankend ab.
»Meine Frau hat mich verlassen«, sagte der erfolgreiche Broker. »Eine Zeit lang hat sie das viele Geld, das ich nach Hause brachte, genossen, doch irgendwann wollte sie auch einen Mann haben.« Er hob die Schultern. »Beides geht nicht. Man muss sich entweder für das eine oder das andere entscheiden. Das habe ich getan. Und meine Frau lebt jetzt mit einem Mann zusammen, der zwar weniger Geld verdient, dafür aber sehr viel mehr Zeit für sie hat.«
Angus Sharp hat seine Seele also dem Mammon verschrieben, dachte ich. Wenn man einmal Blut geleckt hat, kommt man offenbar nicht mehr davon los. Es sei denn, man hat einen sehr starken Charakter und einen eisernen Willen.
Ich erinnerte den Broker daran, was er mir am Telefon erzählt hatte. Er nickte. Kummerfalten erschienen auf seiner Stirn.
»Langsam fange ich an, meinen Beruf zu hassen«, sagte er zerknirscht. »Ich war ein lausiger Ehemann und bin ein miserabler Vater. Ich hatte gehofft, Theo, mein Sohn, würde eines Tages in meine Fußstapfen treten. Vater und Sohn im selben Geschäft. Wer wünscht sich das nicht? Ich hätte Theo viel beibringen, ihm so manche Tür öffnen und eine Menge Steine aus dem Weg räumen können. Doch so ist es leider nicht gekommen. Mein Junge ist mir mehr und mehr entglitten, kam in schlechte Gesellschaft und schließlich mit dem Gesetz in Konflikt.«
»Was hat er angestellt?«, wollte Phil wissen.
»Zunächst waren es nur Dumme-Jungen-Streiche«, sagte Angus Sharp gedämpft. »Schwachsinniger Vandalismus. Sie haben Wände beschmiert, Autos demoliert, Denkmäler ruiniert, Gartenbänke zertrümmert.« Er machte eine kurze Pause. Dann fuhr er fort: »Das ließ sich alles noch mit Geld geradebiegen. Aber dann …« Er biss sich auf die Unterlippe, »dann ging es mit der Tierquälerei los. Sie legten in Parks Schlingen aus und sahen, was sich darin fing. Sie schossen mit Pfeilen auf Tauben, Hunde und Schwäne. Und schließlich fingen sie an, mit Streichhölzern zu spielen. Flammen haben Theo schon seit frühester Kindheit fasziniert. So sehr, dass er deswegen sogar in psychiatrischer Behandlung war. Er sah es viel zu gerne brennen. Einmal hat er hier im Haus sein Bett angezündet. Ich konnte den Brand zum Glück selbst löschen.«
»Wie alt war er damals?«, fragte ich.
»Zehn Jahre. Vielleicht elf. Ich habe ihn gefragt, warum er das getan hatte.«
»Was hat er geantwortet?«, erkundigte sich Phil.
»Er zuckte mit den Achseln und sagte: ›Nur so.‹«
»Nur so?«, fragte mein Partner.
Angus Sharp nickte deprimiert. »Nur so. In Theos Augen ist Feuer nichts Gefährliches. Er findet Flammen wunderschön. Ihr Züngeln und Knistern fasziniert ihn. Er kann sich an ihnen nicht satt sehen.«
»Dann hat die psychiatrische Behandlung wohl nichts bewirkt«, bemerkte Phil.
Angus Sharp seufzte bedrückt. »Er ging jahrelang dreimal in der Woche zur Therapie. Dennoch hat er an seinem neunzehnten Geburtstag das Bootshaus eines meiner Bekannten abgefackelt.«
Ein Pyromane, ging es mir durch den Kopf. Haben wir mit Theo Sharp den roten Faden gefunden, der uns zu den Tätern führt? Ist Angus Sharps Sohn so tief gefallen? Sein Vater nimmt es an. Sonst hätte er sich nicht an uns gewandt.
»Theo ist vor einem
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