2885 - Flammen tilgen alle Spuren
einer Kugel! Er überschlug sich zweimal und schlug dann auf dem Asphalt auf. Doch zu diesem Zeitpunkt war er schon tot.
Wir stürmten los. Von allen Seiten kamen Menschen gelaufen. Die einen wollten helfen, die andern wollten gaffen. Auf manche Leute hat Blut eine geradezu magische Anziehungskraft, der sie sich nicht entziehen können. Wir wollten den Kerl kriegen, der geschossen hatte. Ich rammte die Haustür auf und griff nach meiner SIG. Der Flur, der vor mir lag, war dämmrig. Ich hastete zur Treppe und sah nach oben. Da war ein Schatten.
»FBI!« Meine Stimme hallte von den Wänden wider. Der Schatten huschte davon. Ich rannte die Stufen hinauf. Phil blieb mir dicht auf den Fersen.
Auch er hatte seine Dienstwaffe gezogen. Der Mörder hätte gut daran getan, sich zu ergeben, denn wir waren gute Schützen und regelmäßig im Training.
Wir befanden uns in einem vierstöckigen Gebäude. Ich erreichte soeben den ersten Stock. Weiter. Noch mal ungefähr zwanzig, fünfundzwanzig Stufen. Raoul Russels Apartment war in der zweiten Etage. Die Tür stand offen, doch vom Killer fehlte jede Spur. »Er hat sich nach oben abgesetzt«, keuchte Phil.
Im selben Moment waren die Schritte des Täters zu hören.
»Er wird versuchen, über das Dach abzuhauen«, sagte mein Partner.
Das müssen wir nach Möglichkeit verhindern, dachte ich, während ich zur dritten Etage weiterhetzte. Etwas weiter oben quietschte eine Tür.
Jetzt ist er auf dem Dach, dachte ich. Vierter Stock. Mein Herz pumpte kräftig. Ich atmete mit offenem Mund, gab alles. Schweiß bedeckte meine Stirn. Ein paar Stufen noch, dann war da die Tür, die aufs flache Dach hinausführte. Ich beging nicht den Fehler, einfach aufs Dach hinauszustürmen und mir dabei eine Kugel einzufangen, sondern blieb rechtzeitig stehen und peilte die Lage.
»Siehst du ihn?«, fragte Phil hinter mir gepresst.
»Nein.«
»Er hat keinen besonders großen Vorsprung.«
Rechter Hand befand sich eine Schornsteinkette aus rotem Backstein. Ich vermutete den Täter dahinter und rief ihn. Er reagierte nicht.
»Er stellt sich tot«, grummelte mein Partner. »Aber darauf fallen wir nicht rein.«
»Gib mir Deckung«, verlangte ich.
Ich trat durch die Tür. Das Jaulen von Polizeisirenen drang zu uns herauf. Meine Nervenstränge waren straff gespannt. Ich kniff die Augen zusammen und war bereit, sofort zu schießen, falls es sein musste.
Nichts passierte. Ich näherte mich geduckt den Schornsteinen. Sobald ich die schmutzigen Backsteine erreichte, richtete ich mich langsam auf, sah zu meinem Partner zurück und streckte den Daumen hoch.
Er hatte gut auf mich aufgepasst. Nun folgte er mir. Gemeinsam bewegten wir uns sodann an den Schornsteinen vorbei. Das Nachbarhaus war niedriger und hatte ein Satteldach, und über dieses tänzelte soeben unser Mann.
»Watson!«, schrie ich.
Er reagierte nicht. Tat so, als wäre das nicht sein Name.
Ich legte auf ihn an. »Jared Watson! Bleiben Sie stehen!«
Er dachte nicht daran, zu reagieren. Ich gab einen Warnschuss ab.
Daraufhin wurde er wütend. Er schwang herum und eröffnete das Feuer auf mich. Seine Pistole nieste fast ununterbrochen. Seine Kugeln hackten Löcher in die Ziegel. Ich zuckte zurück und schickte einen heißen Gruß in Watsons Richtung. Phil beteiligte sich an der Aktion, und plötzlich stolperte Jared Watson.
Ich sah, wie er stürzte. Auf einem schrägen Dach, bei diesem Neigungswinkel, war das nicht ungefährlich. Er fiel und begann sofort zu rollen, wurde immer schneller, versuchte seine rasante Talfahrt verzweifelt zu bremsen, schaffte es aber nicht und kam dem Rand des Daches immer näher.
Ich hielt den Atem an. Jetzt kann ihn nur noch ein Wunder retten, schoss es mir durch den Kopf. Er spreizte Arme und Beine ab, überschlug sich aber trotzdem weiter, erreichte die Regenrinne, kippte über sie hinweg, und dann ging es mit ihm senkrecht im freien Fall abwärts.
»Mist!«, entfuhr es mir. »Ich hätte ihm lieber seine Rechte vorgelesen.«
Ich steckte meine SIG enttäuscht weg. Hier wurde sie nicht mehr gebraucht. Ich sah Phil an.
Er schüttelte den Kopf. »Wie oft haben wir das schon erlebt?«, sagte er ärgerlich. »Sie geben niemals auf. Sie wollen es einfach nicht akzeptieren, wenn sie verloren haben, glauben immer, noch eine Chance zu haben, wo es keine mehr gibt.«
Wir kehrten um, eilten die Treppe hinunter und verließen kurz darauf das Gebäude durch die Hintertür. In dem fast quadratischen Hof, in den wir
Weitere Kostenlose Bücher