2889 - Schüsse aus dem Nichts
wahrscheinlich in den Ohren. Außerdem musste er damit rechnen, dass Arliss nun auch auf ihn schießen würde. Doch das tat er nicht.
Stattdessen kam er auf die Beine, drehte sich zur Seite und machte einen gewaltigen Sprung durch das offen stehende Fenster. Draußen befand sich die Plattform der Feuerleiter. Arliss jagte die Sprossen hinab. Währenddessen hatte Duke Morrow offenbar seine Fassung zurückgewonnen. Jedenfalls schnellte er ebenfalls wieder auf die Beine und versuchte, durch die Tür zu entkommen. Doch Phil stellte sich ihm in den Weg.
»Wohin so eilig, Mister Morrow?«
Der Manager ließ seine seriöse Maske fallen und stieß einen obszönen Fluch aus. Doch das war uns egal.
»Ich verfolge Arliss, Phil.«
Mit diesen Worten stieg ich ebenfalls durch das Fenster. Phil und ich waren ein eingespieltes Team. Daher zweifelte ich nicht daran, dass mein Partner mit Duke Morrow fertigwerden würde. Aber ich musste unbedingt Don Arliss verhaften. Er hatte wahrscheinlich Kea Swanson auf dem Gewissen.
Der Verbrecher war inzwischen schon auf der untersten Feuerleiter angelangt und sprang von dort aus auf die Straße. Hinter dem Haus befand sich eine schmale Gasse, in der zahlreiche Mülltonnen standen und Unrat herumlag. Der Gestank schlug mir entgegen.
Arliss hatte bemerkt, dass ich ihn verfolgte. Er drehte sich um und schoss in meine Richtung, ohne zu zielen.
»Bleiben Sie stehen, Arliss!«
Doch er hörte nicht auf meine Worte. Wenn er wirklich ein Killer war, dann hatte er nichts mehr zu verlieren. Vielleicht würden wir in seinem Apartment Belastungsmaterial finden. Aber mir kam es vor allem darauf an, den gefährlichen Gewalttäter aus dem Verkehr zu ziehen.
Ich holte auf. Arliss bog von der Gasse aus in die East 22nd Street. Er lief Richtung East River. Passanten schrien erschrocken auf, als sie die Pistole in seiner Hand bemerkten. Ich hatte meine FBI-Dienstmarke am Jackett befestigt. Jeder sollte sehen, dass ich auf Seiten des Gesetzes stand. Auch ich hatte meine SIG weiterhin schussbereit. Aber wegen der vielen unbeteiligten Zivilisten konnte ich sowieso nicht schießen.
Arliss kannte solche Skrupel nicht.
Erneut jagte er während seiner Flucht eine Kugel in meine Richtung. Sie verfehlte mich abermals. Stattdessen traf sie den rechten Vorderreifen eines Mitsubishi-Vans, der gerade vorbeifuhr. Der Mann am Lenkrad verlor die Kontrolle über sein Fahrzeug. Der Lieferwagen geriet ins Schlingern und krachte in einige geparkte Autos. Eine Alarmsirene begann zu schrillen. Ich hoffte, dass der Fahrer unverletzt geblieben war. Wenigstens war er nur mit geringem Tempo unterwegs gewesen.
Wegen des Unfalls staute sich der entgegenkommende Verkehr. Da schien Arliss eine Idee zu haben. Vielleicht hatte er auch schon die ganze Zeit ein Kidnapping geplant. Jedenfalls sprang er blitzschnell auf die Fahrbahn, riss die Tür des ersten stehenden Autos auf und zielte auf die Person, die am Lenkrad saß. Es war eine junge Frau.
»Öffne den Sicherheitsgurt, Lotusblüte! Oder brauchst du eine Extraeinladung? Mach schon, ich habe nicht den ganzen Tag Zeit.«
Selbst auf die Entfernung konnte ich Arliss’ unangenehme Stimme hören. Und ich bemerkte, dass die Fahrerin eine Asiatin war. Vielleicht verstand sie ihn nicht. Oder sie war vor Angst wie gelähmt. Jedenfalls öffnete sie ihren Sicherheitsgurt nicht. Und solange sie angeschnallt war, konnte der Flüchtende sie weder aus dem Auto zerren noch sich selbst ans Steuer setzen. Die Sache drohte aus dem Ruder zu laufen.
Der Verbrecher richtete seine Pistolenmündung auf das Gesicht der Asiatin. In diesem Moment begann sie zu schreien. Ihre Stimme war hell, und durch die Todesangst klang sie vermutlich besonders dissonant.
Arliss erschrak und sprang instinktiv einen Schritt zurück. Nun hatte ich ihn gut im Schussfeld. Ich legte im Beidhandanschlag auf ihn an.
»Zum letzten Mal, Waffe weg! Auf den Boden!«
Arliss drehte sich langsam wie ein Schlafwandler in meine Richtung. Nun zeigte die Schusswaffe auf mich. Ich musste feuern, wenn ich nicht so enden wollte wie Kea Swanson. Ich traf Arliss in die linke Wade. Genau dorthin hatte ich auch gezielt. Er schrie auf. Da er einen Wimpernschlag später als ich selbst abdrückte, verriss er seine Hand. Das Geschoss, das mich töten sollte, orgelte irgendwo davon. Nichts deutete darauf hin, dass jemand getroffen wurde.
Und dann lag Arliss wirklich schreiend und fluchend auf der Fahrbahn. Ich lief zu ihm hin und entwand ihm
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