2898 - Leichen brauchen kein Alibi
Nancys Freund war ein Weißer Mitte dreißig von durchschnittlichem Aussehen. Ich hatte ihn noch nie zuvor gesehen. Ob es eine Verbindung zwischen ihm und den Produktfälschern gab? Das würde sich gleich herausstellen.
Ich schickte die Bilder an den Computer unseres Technikers weiter. Der Kollege aktivierte sofort ein Programm zur automatischen Gesichtserkennung. Es scannt Abertausende von unveränderlichen Kennzeichen eines Antlitzes und vergleicht diese Parameter mit den erkennungsdienstlichen Fotos aus unseren Datenbanken.
Es dauerte nicht lange, bis der PC einen Treffer meldete. Wir kannten nun den Namen von Nancy Mitchells Verehrer. Und außerdem erfuhren wir wichtige Fakten über ihn. Phil pfiff durch die Zähne.
»Aha. Der Rosenkavalier heißt also Pete Ruggles, stammt aus Maryland und wird dort wegen Totschlags gesucht. Der Haftbefehl gegen ihn ist noch offen, die Cops dort haben seine Spur verloren. Da leisten wir doch mal Amtshilfe, würde ich sagen.«
Ich war derselben Ansicht. Selbst wenn dieser Pete Ruggles keine Mitschuld an Jake Reeds Tod trug, musste er auf jeden Fall wegen dem in Maryland begangenen Kapitalverbrechen hinter Schloss und Riegel.
Schnell rief ich June an und teilte ihr unsere neuesten Erkenntnisse mit.
»Phil und ich kommen zu euch herüber und unterstützen euch bei dem Zugriff. Falls das saubere Pärchen vorher verschwinden will, seid ihr auf euch allein gestellt.«
»Alles klar, Jerry. Blair sieht schon sehr ungeduldig aus. Aber wir warten auf euch, wenn es möglich ist.«
***
Phil und ich eilten hinunter in die Tiefgarage und sprangen in den Jaguar. Ich schaltete die Sirene und das Blaulicht ein. Dann trat ich kräftig auf das Gaspedal.
Zum Glück ist es nicht allzu weit von der Federal Plaza bis nach Chelsea. Da ich jede Lücke im dichten Strom der Fahrzeuge nutzte, kamen wir schnell an unser Ziel. Ich stellte den Jaguar-E-Hybriden in der zweiten Reihe mit eingeschalteter Warnblinkanlage ab. Es war unmöglich, in der Nähe vom Chez Antoine einen freien Parkplatz zu finden. Natürlich hatte ich die Sirene schon rechtzeitig vorher verstummen lassen. Wir wollten die beiden Verdächtigen schließlich nicht warnen.
Wir liefen in das Diner auf der gegenüberliegenden Straßenseite, wo June und Blair bereits auf uns warteten.
»Da können Sie aber Ihren Sportflitzer nicht stehen lassen!«, rief die Bedienung. »Wollen Sie unbedingt abgeschleppt werden?«
Ich zeigte der Kellnerin unauffällig meine Dienstmarke.
»Hier findet gleich ein FBI-Einsatz statt. Könnten Sie Ihre Gäste bitte leise und unauffällig durch den Notausgang nach draußen schaffen?«
Die junge Frau erbleichte, nickte aber und begann mit der Evakuierung. Zwar war es unwahrscheinlich, dass sich jemand in dem Diner eine von Pete Ruggles abgefeuerte Kugel einfing, aber es war nicht unmöglich. Dieser Mann war rechtskräftig wegen Totschlags verurteilt worden, man musste bei ihm mit allem rechnen.
»Wie führen wir den Zugriff durch, Jerry?«, wollte June wissen.
»Du und Blair geht eng umschlungen als Liebespaar ins Chez Antoine . Das ist unverdächtig, weil das Lokal ein beliebter Pärchen-Treffpunkt ist. Außerdem kennt Nancy Mitchell euch beide nicht, Phil und mich aber schon. Sobald ihr Nancy und Ruggles nahe genug gekommen seid, stürzt ihr euch auf die Frau und bringt sie zu Boden. Wir wissen nicht, ob sie bewaffnet ist. Bei Ruggles würde ich davon ausgehen. Ruggles wird versuchen, seiner Freundin beizustehen. Phil und ich warten im Eingangsbereich. In dem Moment, wo ihr euch auf Nancy stürzt, knöpfen wir uns Ruggles vor. Wenn gleich zwei Pistolen auf ihn gerichtet sind, wird er hoffentlich gar nicht erst Widerstand leisten.«
Blair nickte mir zu.
»Das ist ein guter Plan, Jerry.«
»Ja, weil du wieder meinen Geliebten spielen darfst«, meinte June trocken. Wir lachten, wurden aber gleich darauf wieder ernst. Zu viert verließen wir das Diner und überquerten die Straße. Dabei nutzten wir vorbeifahrende und parkende Autos als Deckung, sodass Nancy Mitchell und Pete Ruggles uns möglichst nicht bemerkten.
Aber die beiden Verdächtigen hatten ohnehin nur Augen füreinander. Jedenfalls war das mein Eindruck, als ich ihnen durch die Panoramascheibe einen Blick zuwarf. Im nächsten Moment hatten wir auch schon das Chez Antoine erreicht. Blair legte seinen Arm um June, sie schmiegte sich an seine breite Schulter. Eng umschlungen gingen unsere beiden Kollegen in das Restaurant.
Dort wartete ein
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