Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
29 - Im Lande des Mahdi III

29 - Im Lande des Mahdi III

Titel: 29 - Im Lande des Mahdi III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
daß er keine Zeit oder Lust hatte, mir Antwort zu geben.
    Der unsichtbare Fisch kam, von einem gradezu sinnverwirrenden Toben menschlicher Stimmen begleitet, langsam aber sicher näher. Fast hatte er Halef erreicht, der ihn nicht bemerkte; da hob ich beide Arme empor, um eine warnende Bewegung zu machen, kam aber damit zu spät, denn grad in diesem Augenblick wurde auch der kleine Hadschi emporgeschleudert. Er hatte sich unter einer breit- und tiefästigen Silberpappel befunden und flog so hoch, daß er, die Hände unwillkürlich nach Hilfe ausstreckend, einen der Äste ergriff und an demselben hängenblieb. Natürlich brüllte er nun auch, was er nur brüllen konnte; ich hörte es zwar nicht, aber ich sah es an seinem Mund, der jetzt nicht mehr ein Mund, sonder ein Maul zu nennen war und so weit aufgerissen wurde, daß sich alle zweiunddreißig Zähne präsentierten, denn Halef besaß ein Gebiß, um welches er beneidet werden konnte.
    Indem ich ihn beobachtete, dachte ich nicht an mich; da fuhr mir plötzlich etwas zwischen die Beine. Ehe ich danach fassen und mich überzeugen konnte, was es war, wurde ich auch emporgehoben und erhielt einen plötzlichen kräftigen Schwung, sicherlich vier Ellen hoch, aus welcher Höhe ich verkehrt auf die Köpfe der Menschenmenge niederstürzte, wo ich, ohne den Erdboden wieder zu erreichen, von zwanzig, dreißig, vierzig Händen, die sich nach mir ausstreckten, ergriffen, gestoßen, gezogen, geschoben und gezerrt wurde, daß ich beinahe auch wie Halef den Mund weit aufgerissen hätte, um mit zu brüllen. So wurde ich eine kleine Weile, auf den Köpfen der Menschen liegend, hin und her gerissen, bis mir der Gedanke kam, mich auf ungewöhnliche Weise in Sicherheit zu bringen. Ich war in den Prärien Nordamerikas oft mit anderen Jägern mitten in die Herden wilder Büffel hineingeritten und, während die Herde vorwärts stürmte, von dem Rücken des einen Bison auf den Rücken des anderen gesprungen, was man tut, um sich das zum Fleischmachen passendste Tier auszusuchen. Daran dachte ich jetzt. Ich befreite mich von den Händen, die mich grad gepackt hielten, richtete mich halb auf und turnte mich mit allen vieren auf den Köpfen hin, wobei ich gar keine Rücksicht darauf nahm, wohin ich meine Hände und Füße setzte und zahlreiche Püffe und Stöße austeilte, aber deren auch soviel und mehr zurückbekam, als ich mir nur wünschen konnte. Wie dann später mein Gewand aussah, kann man sich wohl denken. Doch: mit der Nadel in der Hand flickt man öfters sein Gewand!
    Mein Rettungsweg war nach der Pappel gerichtet, in deren Zweigen Halef jetzt in olympischer Ruhe und Sicherheit thronte; es war gar nicht weit dorthin, aber die Stöße, welche ich austeilte und wiederbekam, erschwerten mir die Passage in der Weise, daß ich endlich mit wenigstens fünfzehn Minuten ‚Verspätung‘ bei meinem Hadschi Halef Omar einfuhr. Einfuhr ist hier das ganz richtige Wort, denn ich flog gradezu in das Gezweig hinein und mußte mich fest anklammern, um nicht auf der anderen Seite wieder hinauszufliegen.
    Halef schrie mir etwas zu, was ich aber nicht verstand. Ich war von der gehabten Anstrengung fast erschöpft; ich schnappte förmlich nach Atem und fühlte das Schlagen des Pulses durch den ganzen Körper. Als ich nach einigen tiefen Atemzügen ruhiger geworden war und mir einen festen Sitz genommen hatte, fand ich Zeit, den Blick unter mich zu richten, und da sah ich denn endlich den sonderbaren, geheimnisvollen ‚Fisch‘, der sich stets und kräftig in das Menschenmeer hineinarbeitete und Halef und mich mit seiner Schnauze so hoch emporgeworfen hatte. Dieser Fisch war die Tulumba, die Feuerspritze. Sie war jetzt an der Pappel vorüber; wir beobachteten, wie sie sich weiterarbeitete, und konnten die Konstruktion erkennen.
    Ich war, als ich diese Konstruktion sah, zunächst ziemlich verblüfft, brach aber dann in ein herzliches Lachen aus, welches leider in dem allgemeinen Getöse vollständig verlorenging. Auch Halef lachte, wie ich seinem lustig verzogenen Gesicht ansah.
    Wenn ein Feuer ausbricht, muß man es mit dem Wasser löschen; das ist jedenfalls ein guter Gedanke. Wenn ein Feuer ausbricht, so strömen die Menschen scharenweise zusammen; das ist ein Gedanke, welcher jedenfalls auch viel Wahrheit für sich hat. Ein abendländischer Spritzenfabrikant würde den ersten Gedanken für den Hauptgedanken erklären. Der orientalische Meister aber, aus dessen Händen die Tulumba hervorgegangen war,

Weitere Kostenlose Bücher