2943 - Viele Täter sind des Opfers Tod
abspielen, und dann sah ich, was er meinte: An dem Tag, an dem Weatherman ermordet worden war, kurz nach Mittag, tauchte Sally Vibes, seine Sekretärin, in der Lobby des Hotels auf und ging zu einem der Fahrstühle, fuhr in das Stockwerk, wo Weatherman sein Zimmer hatte, stieg dort aus, erschien fünf Minuten später wieder und verließ dann das Hotel. Bei ihrem Erscheinen im Hotel hatte sie eine braune Einkaufstüte dabei, beim Verlassen nicht mehr.
»Sie hat ihm etwas gebracht – nur wissen wir nicht, was«, sagte Phil.
»Schau doch mal ihre Kreditkartenabrechnung durch, wo sie vorher eingekauft hat«, sagte ich.
Phil ging die entsprechenden Unterlagen durch. »Sie war an dem Tag vor ihrem Erscheinen im Hotel in zwei Geschäften gewesen, beide liegen ganz in der Nähe des Hotels und beide bieten unter anderem Spirituosen an. Wir sollten uns dort umsehen, vielleicht bekommen wir heraus, was sie gekauft hat.«
Ich schnappte mir mein Sakko. »Dann nichts wie los!«
***
Die Ermittlungen im ersten Geschäft ergaben keine sachdienlichen Hinweise. Erst im zweiten Laden wurden wir fündig. Der Besitzer erkannte Miss Vibes auf einem Foto wieder.
»Ja, die war an dem Tag hier«, sagte er. »An eine gutaussehende Frau erinnere ich mich gerne. Zudem hatte sie noch einen erlesenen Geschmack. Der Scotch, den sie haben wollte, den kennt kaum jemand. Ein alter Single Malt aus den schottischen Highlands. Ist eher bei älteren Semestern beliebt. Hat mich gewundert, dass sie genau den haben wollte, aber mir soll’s recht sein. Ich trinke auch gern mal einen guten Scotch, bin aber eher für Wein – da kann man mehr von trinken, ehe es einen umhaut.«
Phil zeigte ihm auf seinem Smartphone ein Foto der Scotchflasche, die im Hotelzimmer von Donald Weatherman gefunden worden war. »Ist das die Marke?«
Der Besitzer nickte lächelnd. »Ja, genau die war es.«
Wir bedankten uns und verließen das Geschäft.
»Was meinst du? Eifersucht? Unerwiderte Liebe?«, fragte Phil.
»Vielleicht von beidem etwas«, antwortete ich. »Finden wir sie, dann können wir sie fragen. Ich glaube nicht, dass sie uns bei einem Verhör lange standhalten wird.«
***
Wir ließen Miss Vibes’ Handy orten. Zu unserem Erstaunen befand sie sich in einer Kirche – der Riverside Church.
»Vielleicht wird es noch einfacher, sie zum Reden zu bringen«, meinte Phil.
Wir fuhren zur Kirche am Riverside Drive und stiegen aus. Kurz darauf betraten wir das neugotische Gebäude und schauten uns um. Es war ruhig, nur wenige Gläubige hatten sich hier zusammengefunden. Es war nicht schwer, Miss Vibes zu finden. Sie kniete in einer der hinteren Reihen und betete. Als wir näher kamen und sie kurz aufschaute, konnte ich sehen, dass sie geweint hatte.
»Kommen Sie, um mich zu holen?«, fragte sie mit nervöser Stimme.
Ich nahm neben ihr Platz und nickte. »So ist es.«
Ihr eine Frage zu stellen war nicht nötig. Sie fing von sich aus an zu reden.
»Ich wollte das eigentlich nicht, und wenn ich es könnte, würde ich es ungeschehen machen. Aber als ich ihn mit dieser anderen Frau gesehen hatte, war mir auf einmal klar, dass das, was er mir all die Jahre erzählt hatte, nur Lügen waren. Er würde seine Frau nie verlassen, und ich war auch nicht die Einzige für ihn, sondern nur ein netter Zeitvertreib. Und das bei all dem, was ich für ihn geopfert hatte. Ich musste etwas unternehmen, diese innere Wut loswerden und ihm einen Dämpfer verpassen. Also habe ich ihm Gift in seinen Lieblingsscotch getan. Ich dachte, ihm würde davon nur schlecht werden, eigentlich wollte ich ihn nicht umbringen, das müssen Sie mir glauben.«
Ich schaute in ihre feuchten Augen und sah, dass sie die Wahrheit sagte. Aber sie hatte sich dazu hinreißen lassen, einen Menschen zu töten. Und es war nicht meine Aufgabe zu entscheiden, ob er es verdient hatte oder nicht. Dafür war die Jury zuständig.
Auf jeden Fall hatte Donald Weathermans Untreue nicht nur ihn das Leben gekostet, sondern durch die in der Öffentlichkeit breitgetretene Gerichtsverhandlung ebenfalls seinen Ruf zerstört und seiner Familie tiefe Schmach zugefügt. Sally Vibes wurde zu zwanzig Jahren Haft verurteilt.
»Irgendwie tut sie mir leid«, sagte Phil später einmal. »Hätte sie sich nicht ihren Emotionen hingegeben, wäre Weatherman ein paar Tage später von Muertes getötet worden und sie hätte ihre Rache gehabt, ohne dafür ihr gesamtes Leben zu zerstören. Irgendwann wäre sie über Weatherman
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