2946 - Deborah - verzweifelt gesucht
freigab.
»Glaube nicht. Warten Sie hier, ich sehe nach.« Er schien sich wieder gefangen zu haben, denn sowohl seine Körpersprache als auch seine Mimik zeugten davon, dass er jetzt schlagartig hellwach geworden war. Und zeugten von einem überaus großen Selbstbewusstsein.
Wir betraten einen Raum, der den beiden reichen Studenten offensichtlich als gemeinsam genutzter Wohnraum diente, sparsam möbliert und durch große Fenster lichtdurchflutet. Mehrere Türen gingen von diesem Zimmer ab und Diego klopfte nun gegen eine davon.
»Jérome?«, rief er, erhielt aber keine Antwort. Mit einem Achselzucken drehte er sich zu uns um.
»Schauen Sie bitte nach«, verlangte ich und Diego drückte die Klinke nach unten. Die Tür schwang auf. Wir konnten sehen, dass das Zimmer hell war.
»Ist nicht da«, informierte uns der Südamerikaner. Er schien selbst darüber erstaunt zu sein.
»Vielleicht ist er bei seinem Mädel«, mutmaßte er und versuchte gleichzeitig, unsere Blicke von dem großen, flachen Tisch im Wohnraum abzulenken. Dort lagen eindeutige Rauchutensilien, und wenn wir nachgesehen hätten, hätten wir sicherlich in dem kleinen Holzkästchen daneben Marihuana gefunden. Die beiden Jungs schienen ja ihr Studentenleben abseits des Campus in vollen Zügen zu genießen!
»Waren Sie heute Nacht zu Hause?«, fragte ich.
Diego schüttelte den Kopf. »Bin erst vor ein paar Stunden gekommen. War auf einer Party, die länger gedauert hat.« Ein schiefes Grinsen untermalte diese Aussage. »Jérome war nicht hier, als ich kam. Für die Uni war es viel zu früh, also sieht es so aus, als sei er gar nicht hier gewesen, und ich weiß nicht, wo er sein könnte.«
»Jérome ist, nach unserem Wissen, definitiv nicht bei Deborah Bradshaw. Mit Ihnen war er heute Nacht auch nicht zusammen. Wo könnte er sein?«
»Agent … äh, wie war Ihr Name?« Die braunen Augen des jungen Mannes sahen entschuldigend zu mir.
»Cotton, Jerry Cotton.«
»Also, Agent Cotton, Jérome ist eigentlich fast immer hier, wenn er nicht an der Uni oder bei seinem Mädchen ist. Dass er die Nacht nicht hier verbracht hat, ist ungewöhnlich.«
Ein schneller Blick in Jéromes Zimmer hatte uns gezeigt, dass das Bett unberührt war.
»Was ist denn überhaupt los?«, fragte Diego dann, auf einmal alarmiert. »Ist etwas mit Jéromes Familie?«
»Nicht direkt«, antwortete Phil. »Deborah Bradshaw ist verschwunden.«
»Deborah? Verschwunden?« Diego lachte kurz und lauthals auf. »Sie wird shoppen sein. Oder im Kosmetiksalon. Oder einem Klatschblatt ein Interview über ihr nutzloses Luxusleben geben. Was sie eben so macht, normalerweise.« Seine Augen hatten sich etwas verengt bei diesen Worten. Er wirkte, als könne er die Freundin seines Mitbewohners nicht besonders gut leiden.
»Sie halten Deborah für oberflächlich.« Phils Worte waren eine Feststellung, keine Frage.
»Ach, wissen Sie, ich kenne solche Mädchen zur Genüge. Sie hängen mir einfach zum Hals raus mit ihrem egozentrischen Getue und Herumgezicke, wenn mal etwas nicht nach ihrer Vorstellung geht.«
»Gab es Streit zwischen Ihnen und Deborah?«, fragte ich.
Erschrocken sah er auf. »Nein, dafür war sie mir zu unwichtig. Außerdem …«, er zögerte weiterzusprechen.
»Was wollten Sie sagen?«, half ich etwas nach.
»Jérome würde nicht wollen, dass ich mit Ihnen darüber spreche«, lautete die vage Antwort.
»Spucken Sie es aus, Sportsfreund«, forderte ich den Jungen auf. Der schien zunächst unschlüssig, sprach dann aber mit einem wegwerfenden Achselzucken weiter.
»Die Geschichte zwischen Deborah und Jérome, die ist sowieso schon fast zu Ende. Seine Eltern sind ziemlich konservativ. Alte französische Elite, wenn Sie verstehen, was ich meine. Da passt so ein It-Girl mit so einem nicht ganz lupenreinen Vater nicht ganz dazu. Jedenfalls war das die Meinung von Jéromes steifem Herrn Papa, der sogar drohte, meinem Freund den Scheck zu kürzen, wenn er nicht zur Vernunft käme.«
Phil und ich wechselten einen erstaunten Blick.
»Jéromes Eltern waren nicht mit seiner Freundin einverstanden?«
»Waren sie definitiv nicht, nein.«
»Was hat das mit Deborahs Vater zu tun?«
»Agent Cotton, es gibt in der High Society gut gehütete Geheimnisse. Eines davon lautet, dass Timothy Bradshaw jede Menge Dreck am Stecken hat. Er gilt als nicht seriös, um es einmal vorsichtig auszudrücken.«
Das weitere Gespräch mit Diego ergab noch, dass Jérome und Deborah sehr unterschiedliche
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