295 - Dunkle Wasser
gefangen, die Häscher Dry'tors. Sie nahmen mich mit, weil sie einen Wissenschaftler brauchten.«
Quart'ol konnte sich nicht erinnern, welches Fachgebiet Tar'ril damals auf dem Kongress vertreten hatte. Aber er erinnerte sich gut an das lange private Gespräch, das sie geführt hatten.
»Wozu brauchten sie dich?«
»Für… die Waffe.« Es fiel Tar'ril immer schwerer zu sprechen. Die Wunde war zu tief und hatte mit hoher Wahrscheinlichkeit die Lunge verletzt. Blut lief über seine quastigen Lippen.
»Eine Waffe?« Mer'ol hielt die andere Hand des Sterbenden und berührte seine Stirn mit einem charakteristischen Griff, um ihn mental zu stärken.
»Ich… ich habe sie entwickelt.« Die Augen Tar'rils weiteten sich entsetzt. Schuld stand in ihnen. »Ich… wollte es nicht. Es tut mir so leid. Es tut mir leid.« Seine Stimme wurde zu einem Wimmern.
Quart'ol strich ihm unbeholfen über den Kopf. Er fand keine tröstenden Worte, also schwieg er und beschränkte sich darauf, den Schluchzenden mental zu beruhigen.
»Bitte, Tar'ril«, klackte er leise, als der Hydrit zu zittern aufhörte. »Erzähl uns mehr über diese Waffe. Auf was müssen wir vorbereitet sein? Was geht am Grund des Sees vor sich?«
Tar'ril antwortete nicht. Seine Atemzüge erstarben. Quart'ol starrte in die panisch geöffneten, gebrochenen Augen des Wissenschaftlers.
Mer'ol sah zum See hin. »Ich schlage vor, wir nehmen uns die Panzer von zweien der Mar'os-Jünger und sehen nach, was da unten los ist.«
Quart'ol zögerte keine Sekunde. »Also gut. Verstecken wir die Körper.« Er sah auf die Leiche Tar'rils hinab. Obwohl er den Wissenschaftler nicht allzu gut gekannt hatte, hatte er ihn doch sehr geschätzt. Jetzt erinnerte sich plötzlich wieder an einen Artikel des Hydriten. Er handelte von der in Sub'Sisco entstandenen Theorie, dass bionetisches Material eine Art Seele besäße. [4]
»Er war ein Bionetiker«, klackte er leise.
Mer'ol sah ihn an. »Das erinnert mich an das Material, das plötzlich am Eingang meiner Wohngrotte gewuchert ist. Meinst du, er hat damit zu tun?«
Quart'ol stand auf. »Finden wir es heraus!«
Sie schafften die Toten in ein Gebüsch und traten an den nächtlichen See. Die Sterne spiegelten sich im dunklen Wasser. Vereinzelte Wolken zogen schnell über die Sümpfe und hingen so tief, dass es schien, als würden sie die Mangrovenwälder berühren.
Sie wussten beide, was sie riskierten. Wenn sie entdeckt wurden, waren sie bald genauso tot wie der Wissenschaftler. Wenn sie überlebten, würden sie die Leiche Tar'rils mitnehmen, damit er in einer Zeremonie unter Steinen bestattet werden konnte.
Die Zeit drängte. Bald schon würde der Trupp vermisst werden, und dann brachen vielleicht andere auf, die nach ihm suchten.
Quart'ol und Mer'ol sprangen in den See und schwammen rasch tiefer. Schon von weitem erkannten sie, dass unter ihnen ein gigantisches Höhlensystem lag. Ob es sich natürlich gebildet hatte oder von Hydriten geformt worden war, konnte Quart'ol nicht sagen. Es gab mehrere Eingänge, die von stämmige Wächtern mit Speeren und Dreizacken besetzt wurden. Vereinzelt besaßen sie sogar Schockstäbe, was Quart'ol verunsicherte. Bislang lehnten die Mar'os-Jünger moderne Technik ab und zogen ihre Muskelkraft vor.
Mer'ol packte Quart'ol am Arm. »Sieh!«, brachte er gurgelnd hervor.
Quart'ol drehte sich um und sah, was seinen Freund erschreckte: Im hinteren Teil des Sees waren unzählige Ischtaar Reihe um Reihe an im Boden verankerten Pflöcken festgebunden. Die Tiere wirkten so ruhig, als stünden sie unter Betäubungsknollen. Mehrere Krieger machten sich an ihren Sätteln zu schaffen und befestigten Speere und Schockstäbe an lederartigen Halterungen.
Es mussten zehn Einheiten sein, die jeweils aus schätzungsweise hundert Tieren bestanden. Anscheinend planten die Mar'os-Jünger den baldigen Aufbruch. Vermutlich wollten sie mit Lichtbeginn in die Schlacht ziehen.
»Sie bereiten einen Krieg vor.« Quart'ol erschauderte. »Sie werden Hykton dem Meeresboden gleichmachen!«
***
Neu-Martok'shimre
»Wir müssen in dieses Labor!« E'fahs Augen glitzerten im einfallenden Sonnenlicht.
Gilam'esh verfärbte ablehnend seinen Scheitelkamm. »Nein. Ich hatte das eindeutige Gefühl, dass Dry'tor uns genau dort haben wollte. Das Labor ist eine Falle.«
Mit einer langsamen Geste berührte Quesra'nol seinen Hornkamm. Er sah auf die Stadt hinunter, die sie aus einigem Abstand beobachteten. »Ich hatte dieses Gefühl
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